Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Schreibblock. »Das ist die einzige minimale Chance, die mir noch geblieben ist, um dich davon zu überzeugen, dass du einem besonderen MRSA-Ansteckungsrisiko ausgesetzt bist, falls du dich tatsächlich wie geplant operieren lässt.«
»Und?« Jack schaute sie misstrauisch von der Seite an.
»Bis jetzt habe ich noch nichts gefunden«, gab sie zu. Dann blickte sie auf ihre Armbanduhr. »Aber ich habe ja immer noch fünfzehn Stunden.«
»Du meine Güte. Und du behauptest, ich wäre dickköpfig.«
»Du bist dickköpfig. Ich bin höchstens beharrlich, und dann habe ich selbstverständlich noch zusätzlich den Vorteil, dass ich recht habe.«
Jack winkte ab und sammelte seine Krücken ein. »Ich gehe jetzt in mein Büro und räume ein bisschen auf, da ich ab morgen ja ein für paar Tage fehlen werden.« Die Betonung lag auf für ein paar Tage.
»Wie ist es denn bei dir gelaufen?«
»Frag nicht. Riva hat mir ein paar gute Fälle versprochen, aber dann waren es bloß zwei natürliche Todesfälle und ein Unfall, alles völlig unspektakulär. Nur Lous Fall war interessant. Das Kaliber der Kugel und die Druckstellen, die offensichtlich von einer Kette stammen, damit das Opfer nicht so schnell wieder an die Wasseroberfläche kommt, deuten auf denselben Täter hin. Bloß, dass sie auch noch vergewaltigt worden ist.«
»Tragisch.«
»Ein weiteres Zeugnis für die Niedertracht der Menschheit.«
»Du meinst wohl, der Männerwelt. Aber jetzt raus hier. Ich habe nur noch fünfzehn Stunden.«
»Wann willst du heute Abend los?«
»Ich glaube, wir sollten lieber getrennte Taxis nehmen, es sei denn, du möchtest Überstunden machen. Ich will unbedingt noch mit dieser Tabelle fertig werden.«
»Ich schaue noch mal hier vorbei, wenn ich fertig bin, falls du es dir bis dahin anders überlegt hast. Aber länger bleiben will ich nicht. Ich möchte meinen Kumpels beim Basketball zuschauen, um mir noch einmal ganz deutlich zu machen, wieso ich mich überhaupt unters Messer legen will.«
Zu diesem Thema durfte Laurie sich nicht äußern. Stattdessen sagte sie: »Ist Chet noch im Büro oder hat er schon Feierabend gemacht?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe zuerst hier bei dir reingeschaut.«
»Tja, also, falls er noch da ist, dann könntest du vielleicht versuchen, seine Begeisterung für seine neue Freundin ein bisschen zu dämpfen.«
»Ach? Wieso denn das?«
»Weil sie zufälligerweise die Vorstandsvorsitzende der Firma ist, die die drei Angels-Healthcare-Spezialkliniken betreibt.«
»Ach, tatsächlich?« Jack hob die Augenbrauen. »Das ist ja ein Zufall. Und warum soll ich seine Begeisterung dämpfen?«
»Sie hat mich doch gestern, als ich in der Orthopädie-Klinik war, praktisch vor die Tür gesetzt. Ich weiß natürlich nicht, wie es sich auf längere Sicht entwickelt, aber im Augenblick habe ich große Zweifel an ihren tatsächlichen Motiven.«
»Keine Angst«, meinte Jack. »Ich wette, Chet hat schon heute Abend wieder eine andere im Blick. Heute in einer Woche kann er sich nicht mal mehr an ihren Namen erinnern.«
»Das hoffe ich sehr, um seinetwillen.«
Jack ging hinaus, und Laurie wandte sich wieder dem Mikroskop zu. Solange Jack da gewesen war, hatte sie sich um Munterkeit bemüht, aber jetzt fühlte sie sich wieder niedergeschlagen. Sie hatte über die noch verbleibenden fünfzehn Stunden gewitzelt, aber in Wahrheit war das viel zu wenig Zeit, um ein Rätsel zu lösen, das schon promovierte Epidemiologen zur Verzweiflung getrieben hatte.
Plötzlich verharrte Lauries Hand am Drehgriff des beweglichen Objekttisches. Da war gerade eben etwas Ungewöhnliches durch ihr Sichtfeld gehuscht. Da sie die höchste Vergrößerungsstufe eingestellt hatte, bewegten sich die einzelnen Objekte schon bei der kleinsten Drehung des Griffs sehr schnell durch den Bildausschnitt. Langsam zog sie den Objekttisch wieder ein Stück zurück, dann hatte sie das seltsame Ding im Blickfeld.
Laurie war fasziniert. Es befand sich inmitten einer einstigen Bronchiole, wahrscheinlich kurz vor dem Übergang in ein Lungenbläschen, in dem Sauerstoff ins Blut und Kohlendioxid in die Luft abgegeben wird. Laurie stellte sich sofort die Frage, ob das Ding schon vor der Aufbereitung der Gewebeprobe an dieser Stelle war oder ob es sich vielleicht um ein sogenanntes Artefakt handelte, also eine Verschmutzung oder das Resultat eines unsauberen Schnitts, wie sie bei der Aufbereitung eines Präparats gelegentlich vorkommen konnten. Es besaß in etwa die
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