Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Arnold und Kevin zu einem Team zusammengeschlossen, trotz ihrer gegensätzlichen politischen Ansichten. Beide waren im Kollegenkreis berüchtigt dafür, dass sie ständig versuchten, so wenig Fälle wie nur möglich zu bekommen. Es war, als würden sie bei vollem Gehalt halbtags arbeiten.
»Ich kann mich an seine Präsentation auf der Donnerstagskonferenz erinnern«, meinte Laurie. Neben den informellen, aber sehr effektiven Gesprächen im Obduktionssaal war die offizielle und für alle verpflichtende Donnerstagskonferenz die einzige Gelegenheit, bei der die insgesamt neunzehn Gerichtsmediziner der Stadt ihre Erfahrungen austauschen konnten. Laurie beklagte diesen Zustand, weil das OCME dadurch zahlreiche Trends verschlief. Sie hatte sich beschwert, konnte aber selbst auch keine Lösung anbieten, und so war das Ganze wieder im Sand verlaufen. Das OCME bearbeitete über zehntausend Fälle pro Jahr, die einfach nicht mehr Zeit zum Gespräch ließen, und um mehr als den einen zusätzlichen Rechtsmediziner, den sie dieses Jahr bekommen hatten, einzustellen, war nicht genügend Geld vorhanden.
»Dieses CA-MRSA-Bakterium ist ein ziemlich furchterregender Keim, wie dein Fall hier eindrücklich zeigt«, sagte Arnold. »Außerhalb der Krankenhäuser hat er sich zu einer richtigen kleinen Epidemie ausgewachsen. Das haben zum Beispiel Kevins Footballspieler und tragischerweise auch ein paar kleine, kerngesunde Kinder nach ein paar Hautabschürfungen auf dem Spielplatz zu spüren bekommen. Jetzt ist das Bakterium anscheinend auf dem Weg zurück in die Krankenhäuser. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht lautet: Es reagiert sehr empfindlich auf Antibiotika, aber die Behandlung muss sofort nach der Ansteckung eingeleitet werden, weil der Bakterienstamm, ob du es glaubst oder nicht, gerade durch seine größere Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika noch ansteckender geworden ist. Diese CA-MRSA-Stämme besitzen, im Gegensatz zu den HA-MRSA-Stämmen, keine vollständigen Abwehrmolekülreihen zum Schutz vor Antibiotika und sind daher in der Lage, mehr Zeit und Energie in die Herstellung wirkungsvoller Toxine zu investieren und so ihre Virulenz zu erhöhen. Eines dieser Toxine ist das Panton-Valentin-Leukozidin, und ich bin mir sicher, dass das hier bei deinem Fall eine Rolle gespielt hat. Dieses PVL zerstört die Abwehrkräfte der Zellen, vor allem in den Lungen, und führt zu einer übermäßigen und völlig anomalen Ausschüttung von Zytokinen, die den Körper im Normalfall beim Kampf gegen eine Infektion unterstützen. Ist dir klar, dass die Hälfte der Zerstörungen in diesen Lungenstücken in deiner Hand auf das vollkommen überreizte Immunsystem des Opfers selbst zurückzuführen sind?«
»Vergleichbar der Zytokinüberflutung, wie sie bei Opfern der H5N1-Vogelgrippe beobachtet wurde?«, fragte Laurie nach. Kurz durchfuhr sie der Gedanke, dass Jack seine Meinung über Besserman womöglich revidieren musste. Es war ja schon peinlich, wie viel mehr er über MRSA wusste als sie.
»Ganz genau«, sagte Arnold.
»Ich fürchte, ich muss mich erst einmal grundsätzlich in das Thema einarbeiten«, gestand Laurie. »Danke für all die vielen Informationen. Wie kommt es, dass du da ein solcher Experte bist?«
Arnold lachte. »Zu viel der Ehre. Aber vor einem Monat oder so haben Kevin und ich angefangen, uns dafür zu interessieren, weil wir jeder mehrere solcher Fälle auf den Tisch bekommen hatten. Wir haben einen kleinen Wissenswettbewerb daraus gemacht. Der MRSA-Keim ist ein gutes Beispiel für die genetische Anpassungsfähigkeit von Bakterien und wie schnell sie sich entwickeln können.«
Nur mit Mühe gelang es Laurie, ihr wie wild von einem Thema zum nächsten hüpfendes Hirn zu zügeln. Sie blickte auf das geschwollene, beinahe schon feste Lungenstück in ihrer Hand. Sie wusste, dass bakterielle Krankheitserreger wieder auf dem Vormarsch waren, aber was sie hier in puncto Zerstörungskraft vor Augen hatte, das sprengte ihr Vorstellungsvermögen.
»Also, die Fälle, von denen du vorhin gesprochen hast, das waren alles nekrotisierende Pneumonien?«, hakte sie nach. »So, wie es auch hier den Anschein hat?«
»Darauf würde ich tippen, aber wenn ich mir das Gewebe unter dem Mikroskop anschauen könnte, dann wären wir gleich schlauer. Ich würde gerne mal einen Blick darauf werfen.«
Laurie nickte. »Und Kevins Fälle haben auch so ausgesehen?«
»Weitgehend.«
»Waren das auch nosokomiale
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