Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Überträger zu tun haben, der gar nicht weiß, dass er hoch ansteckend ist.«
»Sagen Sie mir einfach, um welche Fälle es sich handelt. Ich werde versuchen, das Verfahren zu beschleunigen. Und was Ted Lynch angeht: Das müssen Sie mir überlassen. Für seine DNA-Analyse braucht er eine reine Kultur, und die bekommt er von mir.«
Als Laurie aus dem Labor hinaus- und auf den vorderen, schnelleren Fahrstuhl zueilte, drehte sich alles in ihrem Kopf. Sie drückte wieder und wieder auf die Ruftaste, als könnte sie damit die Ankunft des Fahrstuhls beschleunigen, und versuchte den weiteren Verlauf dieses Vormittags zu planen. Die nächste Station war Maureen O’Connor im Histologielabor. Laurie wollte sie dringend bitten, die Gewebeproben aus David Jeffries’ Lunge so schnell wie möglich auf Objektträger aufzuziehen. Die anderen Proben waren im Augenblick nicht so interessant, nur die Lunge. Sollten die pathologischen Befunde so dramatisch ausfallen wie erwartet, dann würde sie sowieso ein paar große Mikroficheaufnahmen anfertigen. Die würden sich als Gegenargument gegen Jacks Kreuzbandoperation in einer PowerPoint-Präsentation bestimmt großartig machen.
Laurie trat in den Fahrstuhl und drückte die Taste für den vierten Stock. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Es war kurz vor zehn. Kaum hatte die Fahrstuhltür sich geöffnet, rannte sie buchstäblich den Flur entlang und gelangte etwas atemlos in die Histologie.
»Oh-ha! Meine Damen«, ließ sich Maureen mit ihrem schweren, irischen Akzent vernehmen. »Ich glaube, ich rieche wieder mal einen akuten Notfall von Miss Montgomery. Ähhh … Moment mal … Mrs Montgomery-Stapleton, meine ich natürlich. Wer übernimmt denn diesmal die ehrenvolle Aufgabe, ihr mitzuteilen, dass ihr Patient bereits tot ist?«
Gelächter breitete sich unter den anderen Frauen in der Histologie aus. Dank Maureens deftigem Humor herrschte hier ein sehr gutes Arbeitsklima. Selbst Laurie spürte trotz ihrer Anspannung das Lächeln auf ihrem Gesicht. Und wie meist steckte auch in dieser humorvollen Bemerkung ein Körnchen Wahrheit. Laurie und Jack waren die einzigen Gerichtsmediziner, die zumindest gelegentlich die Objektträger mit ihren Gewebeproben möglichst schnell wiederhaben wollten. Alle anderen waren mit den normalen Zeitabläufen vollkommen zufrieden.
Maureen hörte sich Lauries Bitte und ihre Erklärung an und versprach, sich persönlich darum zu kümmern. Minuten später stand Laurie wieder auf dem Flur. Sie eilte auf das Büro von Arnold Besserman und Kevin Southgate zu. Durch ihr Klopfen schwang die Tür von alleine auf, und Laurie streckte den Kopf hinein.
Die Inneneinrichtung des Büros erinnerte Laurie daran, dass die beiden sehr unterschiedliche politische Neigungen hatten. Arnold, der Erzkonservative, besaß einen vorbildlich aufgeräumten Schreibtisch. Auf der einen Seite neben seinem Mikroskop lag eine einzelne Pappschachtel mit Objektträgern und auf der anderen ein neuer, gelber Schreibblock. Beide waren, zusammen mit einem exakt gespitzten Bleistift, absolut parallel zueinander ausgerichtet. Southgates Bürohälfte war das genaue Gegenteil. Auf seinem Schreibtisch und seinem Aktenschrank türmten sich Diakästen, offene Fallakten, Laborberichte und alle möglichen anderen Unterlagen, die lediglich direkt vor seinem Stuhl einen schmalen Halbkreis frei ließen. Lange Reihen aus Post-it-Zetteln baumelten wie Dschungelmoos von der Schreibtischlampe. Für Laurie grenzte es an ein Wunder, dass die beiden schon so lange so gut miteinander auskamen.
Nachdem sie an der Tür eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf hinterlassen hatte, ging sie weiter den Flur entlang und klopfte dabei bei allen anderen Gerichtsmedizinern kurz an, um zu erfahren, ob auch sie erst kürzlich mit einem MRSA-Befall zu tun gehabt hatten. Aber alle Büros waren leer, was vollkommen klar war, da morgens im Schacht immer am meisten los war, obwohl sie bisher weder George Wentworth noch Paul Plodget, noch seinen erst vor Kurzem eingestellten neuen Büropartner Edward Gonzalez gesehen hatte. Edward war ein hochbegabter Kriminalpathologe und war in einem Studiengang, den das OCME in Zusammenarbeit mit der New York University entwickelt hatte, ausgebildet worden.
Da sie im Augenblick keine weiteren MRSA-Fälle mehr auftreiben konnte, zog sich Laurie in ihr Büro zurück. Da fiel ihr Arnold Bessermans Bemerkung über Queens, Brooklyn und Staten Island wieder ein. Diese Bezirke hatten alle ein eigenes
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