Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
das nicht schon gemacht haben.«
»Ich bringe alles, was ich habe, am Donnerstag mit zur Konferenz.«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie die Sachen heute schon per Kurier schicken könnten. Ich stehe ein bisschen unter Zeitdruck.«
»Wie kommt’s?«
»Etwas Persönliches«, erwiderte Laurie, ohne näher darauf einzugehen.
Als Nächstes rief Laurie Jim Bennett in Brooklyn und Margaret Hauptman in Staten Island an. Margaret hatte zwar keine MRSA-Fälle zu bieten, aber Jim drei Stück, genau wie Dick. Zwei Patienten waren, wie die anderen, an nekrotisierender Pneumonie gestorben, und zwar in derselben Klinik, während der Dritte einem tödlich verlaufenden toxischen Schock-Syndrom zum Opfer gefallen war, das sich im Anschluss an eine fulminante Endophthalmitis – eine schwere Entzündung des rechten Innenauges, unmittelbar nach einer Routineoperation, bei der ihm eine künstliche Linse eingesetzt worden war – ausgebildet hatte. Nach dem Ende des Telefonats fügte Laurie Carlos Suarez, Matt Collord und Kayla Westover ihrer rasant wachsenden Tabelle hinzu. Jetzt war sie felsenfest davon überzeugt, dass hier etwas nicht stimmte – überhaupt nicht stimmte.
Kapitel 3
3. April 2007, 10.20 Uhr
»Roger Naughton ist in Kürze für Sie da«, sagte die hochnäsige Sekretärin. »Möchten Sie vielleicht Platz nehmen?« Auf Angela wirkte die Frau nicht wie ein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern eher wie ein Roboter. So oft, wie sie schon in Rogers Büro gesessen hatte, hätte sie eigentlich eine kleine Geste der Vertrautheit erwartet und nicht diese kühle Gleichgültigkeit. Aufgrund früherer Erfahrungen hatte Angela zwar mit einem solchen Empfang gerechnet, was aber nichts daran änderte, dass ihr ungutes Gefühl sich dadurch verstärkte.
So weit Angela zurückdenken konnte, war sie immer ein unabhängiger Mensch gewesen. Sie verabscheute es, andere um einen Gefallen zu bitten, sie wollte das, was getan werden musste, auch selbst schaffen. Je älter sie wurde, desto stärker zeigte sich dieser Charakterzug auch, wenn sie Geld brauchte. Und doch saß sie hier, inmitten der Säulen und des Prunks der Manhattan Bank and Trust, die sprichwörtliche Sammelbüchse in der Hand, und war gezwungen, um einen Kredit zu betteln.
Das einzig Positive daran war, dass Roger das genaue Gegenteil von Miss Darton war. Schon bei ihrem ersten Treffen hatte Angela ihn als freundlichen, hilfsbereiten und bemerkenswert sympathischen Menschen kennengelernt. Unter anderen Umständen hätte sie sich sogar auf ein Wiedersehen gefreut, aber heute nicht. Seit dem Augenblick, in dem sie aufgewacht war, während sie Michelle unter Fortsetzung der Diskussion über das Bauchnabelpiercing für die Schule fertig gemacht hatte, während des Gesprächs mit der Rechtsabteilung über den tödlichen MRSA-Fall des gestrigen Tages und während sie Cynthia Sarpoulus versicherte, dass niemand sie für das nicht enden wollende Infektionsproblem verantwortlich machte, hatte sie sich überlegt, wie sie Roger dazu bringen konnte, ihr einen beträchtlichen Privatkredit oder Angels Healthcare einen Geschäftskredit zu genehmigen.
Bedauerlicherweise war ihr absolut nichts eingefallen, außer vor ihm auf die Knie zu sinken und ihn anzuflehen. Selbst das hätte sie gemacht, wenn sie überzeugt wäre, dass es etwas nützt, so verzweifelt war ihre Lage.
»Mr Naughton kann Sie jetzt empfangen«, sagte Miss Darton. Abgesehen von ihren leicht gehobenen Augenbrauen und einem kurzen Flattern der Augenlider blieb ihre Miene wie versteinert.
Angela kam sich vor wie eine Schülerin auf dem Weg ins Büro des Direktors, nachdem sie beim Rauchen auf dem Schulklo oder einem anderen Regelverstoß ertappt worden war, und betrat Rogers Büro.
»Angela!«, rief dieser dienstbeflissen und kam mit ausgestreckten Armen hinter seinem Schreibtisch hervorgeeilt. »Wie schön, Sie zu sehen. Es ist mir eine besondere Ehre. Normalerweise habe ich ja mit Ihrem Finanzdirektor zu tun – nicht, dass ich ihn nicht mag. Bob Frampton ist ein Gentleman durch und durch, aber wenn es nach mir ginge, dann würde ich die Verhandlungen lieber mit Ihnen persönlich führen. Aber nicht, dass Sie ihm das unter die Nase reiben!« Lachend schüttelte er Angela ausgiebig die Hand und brachte sie zu einem Sessel vor seinem Schreibtisch.
Angela setzte sich und sah zu, wie Roger zu seinem Ledersessel mit extra hoher Rückenlehne ging. Er sah gut aus, wirkte jungenhaft und sorgfältig gepflegt. Er besaß
Weitere Kostenlose Bücher