Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Eindruck, als würde sie niemals das Tageslicht sehen. Aber keine Abteilungsleiterin am Institut war auch nur annähernd so hilfsbereit wie Agnes. Sie war wirklich immer mit vollem Einsatz dabei, fast so, als hätte sie gar kein Leben außerhalb des OCME.
Laurie setzte sich und erläuterte ihre Situation, womit sie Agnes eine kleine Vorlesung über MRSA entlockte, in der alles, was Besserman gesagt hatte, und noch etliches mehr enthalten war. Sie setzte ihr in allen Einzelheiten auseinander, wodurch die Staphylokokken ein solch pluripotenter Mikroorganismus und das vielleicht anpassungsfähigste und wirksamste menschliche Pathogen überhaupt waren.
»Wenn Sie das Ganze einmal aus der Perspektive des Bakteriums betrachten«, sagte Agnes, »dann handelt es sich tatsächlich um einen Superkeim. Er ist in der Lage, einen Menschen in erschreckend kurzer Zeit zu töten, doch kann derselbe Stamm einen Menschen auch nur besiedeln, meist im Bereich der Nasenlöcher. Dort fühlt sich der Keim besonders wohl, weil ihm der Überträger jedes Mal, wenn er den Finger in die Nase steckt, eine Möglichkeit bietet, auf den nächsten Menschen überzuspringen.«
»Gibt es Schätzungen darüber, wie viele Menschen Staphylokokkenüberträger sind?«
»Oh ja! Ungefähr ein Drittel der Weltbevölkerung, also über 2 Milliarden Menschen.«
»Großer Gott«, sagte Laurie. »Gibt es denn noch andere Stämme neben der im Krankenhaus erworbenen HA-MRSA und der außerhalb des Krankenhauses erworbenen CA-MRSA?«
»Sehr viele«, erwiderte Agnes. »Und sie entwickeln sich ununterbrochen weiter, in menschlichen Nasenlöchern und auf anderen feuchten Hautpartien, wo sie untereinander genetisches Material austauschen.«
»Wie unterscheidet man im Labor die einzelnen Stämme voneinander?«
»Da gibt es viele Möglichkeiten«, meinte Agnes. »Die Resistenz gegen Antibiotika ist eine davon.«
»Das kann aber, nach allem, was Sie bis jetzt gesagt haben, keine besonders differenzierte Möglichkeit sein.«
»Das ist richtig. Die differenzierteren Tests basieren alle auf genetischen Verfahren: Das einfachste und am weitesten verbreitete ist die Gel-Elektrophorese, das umfassendste wäre eine vollständige genotypische Erfassung. Dazwischen gibt es eine ganze Reihe anderer genetischer Analyseverfahren, alle auf Grundlage der Polymerase-Kettenreaktion.«
»Welches Testverfahren haben Sie hier in der Mikrobiologie zur Verfügung?«
»Nur das einfachste: Antibiotikaresistenz.«
»Und wenn Sie einmal einen aufwendigeren Test benötigen?«
»Das staatliche Prüflabor kann eine Gel-Elektrophorese durchführen. Für jede weitere Spezifizierung wäre wohl das CDC, das Institut für Infektionskrankheiten, die beste Anlaufstelle. Dort ist man übrigens gerade dabei, eine landesweite Datenbank mit MRSA-Stämmen anzulegen. Von dort können Sie also bestimmt eine Menge zusätzlicher Informationen bekommen. Das CDC freut sich außerdem ausdrücklich, wenn man ihm isolierte Keime zuschickt, da dort natürlich sämtliche Analyseverfahren zur Verfügung stehen. Selbstverständlich kann auch Dr. Lynch drüben in unserem DNA-Labor im neuen Hochhaus die Genotypisierung vornehmen, aber wir könnten ihnen nicht viel über den jeweiligen Stamm erzählen.«
»Welches ist denn der schnellste genetische Test? Ich stehe nämlich ziemlich unter Zeitdruck.«
»Um ehrlich zu sein, das weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass unser Standardtest auf Antibiotikaresistenz einschließlich Kultivierung zwischen vierundzwanzig und achtundvierzig Stunden dauert. Im Krankenhaus geht es auf jeden Fall deutlich schneller, weil dort mit monoklonalen Antikörpern gearbeitet wird. Die Geräte dafür sind interessanterweise ein Abfallprodukt der Weltraumforschung.«
Laurie schüttelte beschämt den Kopf. »Gestern noch habe ich gedacht, ich wüsste das eine oder andere über Staphylokokken. Das war ein schwerer Irrtum.«
»Wir lernen nie aus«, philosophierte Agnes. »Was haben Sie denn mit diesen Proben vor, die Sie da mitgebracht haben?«
»Eine davon bringe ich zu Ted Lynch ins DNA-Labor. Eine würde ich gerne hier lassen und Sie bitten, eine Kultur anzulegen, die anderen gehen ins Referenz-Labor. Außerdem hätte ich zum Vergleich gerne tiefgefrorene Gewebeproben von Dr. Bessermans und Dr. Southgates Fällen. Ich wüsste gerne, ob sie mit demselben Stamm infiziert waren. Ich könnte mir gut vorstellen, besonders nach allem, was Sie mir gerade erzählt haben, dass wir es mit einem
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