Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Fahrstühlen stehen.
»Ich finde die Ruhe hier auffallend«, sagte Laurie. »Man sieht nur ganz wenig Menschen.«
»Das liegt daran, dass unsere Patientenzahlen momentan sehr gering sind. Seitdem wir diese Schwierigkeiten mit dem MRSA-Befall haben, sind sie kontinuierlich gesunken. Am schlimmsten war es natürlich, als die Operationssäle komplett geschlossen waren. In dieser Zeit waren sämtliche Angestellten einschließlich des Direktors damit beschäftigt, alles zu desinfizieren.«
»Aber jetzt sind die Operationssäle wieder geöffnet?«
»Ja, mit Ausnahme des OPs, in dem Mr Jeffries operiert worden ist.«
»Sind dort gestern noch andere Patienten operiert worden?«
»Ja, in der Tat. Nach Mr Jeffries noch zwei.«
»Und die sind gesund.«
»Gesund und munter«, erwiderte Loraine. »Ich weiß, was Sie jetzt denken. Wir waren auch alle verblüfft.«
»Wenn Sie so wenige Patienten haben, heißt das, dass etliche Ihrer Ärzte lieber in anderen Kliniken operieren?«
»Ich fürchte, ja.«
»Und Dr. Wendell Anderson?«
»Er gehört zu den Mutigen, oder sollte ich sagen, zu den Loyalen? Jedenfalls operiert er immer noch regelmäßig hier.«
Laurie nickte, während sie sich ausmalte, wie sie Jack in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag im Schlaf ans Bett fesseln würde. Mehr denn je wollte sie verhindern, dass er sich operieren ließ.
»Was würden Sie denn nun gerne sehen?«, wiederholte Loraine ihre Frage.
»Könnten wir mit der Klima- und Belüftungsanlage anfangen?«
Loraine reagierte verdutzt. »Soll das ein Witz sein?«
»Nein, das ist mein Ernst«, erwiderte Laurie. »Verfügen die OPs und der Aufwachraum über ein separates System?«
»Auf jeden Fall«, antwortete Loraine. »Wir haben hier eine Anlage auf dem neuesten Stand der Technik. Sie ist so ausgelegt, dass die Atemluft in den Operationssälen alle sechs Minuten komplett ausgetauscht wird. Für den Rest der Klinik ist das nicht notwendig. Sogar unser Labor hat ein eigenes System, allerdings nicht mit diesem gewaltigen Volumen.«
»Ich würde mir die Klimaanlage trotzdem gerne ansehen«, sagte Laurie. »Vor allem den Teil, der die Operationssäle versorgt.«
»Nun, ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte.« Sie betraten einen Fahrstuhl. Loraine drückte auf die Taste für die dritte Etage. Sie erläuterte, dass im ersten Stock die Behandlungsräume für ambulante Patienten untergebracht waren, im zweiten die Operationssäle und der Aufwachraum sowie die Vorratshaltung, während der dritte Stock dem Labor und der Haustechnik vorbehalten sei. Zur Haustechnik gehörten unter anderem die Klimaanlage und die Versorgung der OPs sowie der einzelnen Patientenzimmer mit verschiedenen Gasen. In den darüber liegenden Stockwerken befanden sich die Krankenzimmer, wobei die oberste Etage einer VIP-Abteilung mit etwas größeren Zimmern und teurerer Ausstattung vorbehalten war. Die medizinische und pflegerische Versorgung jedoch war nach Loraines Beteuerungen genau gleich wie auf den anderen Stockwerken.
»Sind die anderen Angels-Healthcare-Kliniken ähnlich aufgebaut?«, wollte Laurie wissen.
»Weitgehend identisch, genau wie die sechs Kliniken, die bald gebaut werden sollen: drei in Miami und drei in Los Angeles.«
»Nicht schlecht«, sagte Laurie nur. Der Bau war beeindruckend, doch gleichzeitig stimmte es sie sehr traurig, dass dieser Luxus hier mit dem Geld bezahlt wurde, das kontinuierlich Krankenhäusern wie zum Beispiel dem University oder dem General Hospital aus der Tasche gezogen wurde, die eine umfassende medizinische Versorgung gewährleisteten und die schon jetzt alle Mühe hatten, kostendeckend zu arbeiten. Angels Healthcare war, wie andere Spezialkliniken auch, nur an zahlungskräftigen Patienten mit akuten Beschwerden interessiert, aber nicht an solchen, die keine Krankenversicherung besaßen oder chronisch krank waren. Und nicht nur das: Die Reichtümer, die die Besitzer solcher Kliniken verdienten, wurden dem Gesundheitssystem entzogen und fehlten dann in der Patientenpflege.
»Da wären wir«, sagte Loraine, als die Fahrstuhltüren aufglitten. »Zur Haustechnik geht es nach links.«
Der dritte Stock verkörperte, im Gegensatz zu dem nach Vorbild eines Fünf-Sterne-Hotels eingerichteten Foyer, minimalistisches Hightech-Design in Reinkultur. Alles glänzte in strahlendem Weiß, und der Flur war makellos sauber. Das Klacken, das die Absätze der beiden Frauen auf dem Verbundstofffußboden erzeugten, hallte von den kahlen
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