Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Sekretärinnen waren mit Tippen beschäftigt, während die meisten anderen sich in gedämpftem Tonfall unterhielten.
Eine der Sekretärinnen wurde auf Laurie aufmerksam und erkundigte sich, ob sie ihr irgendwie helfen könne, doch noch bevor Laurie antworten konnte, öffnete sich eine der gläsernen Türen, und eine energiegeladene Frau rief ihren Namen. Sie trug einen braunen Rollkragenpullover, einen Rock und darüber einen weißen Labormantel, stellte sich als Loraine Newman vor und bat sie in ihr Büroabteil.
»Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?«, fragte Loraine. Sie hatte in etwa Lauries Größe und Figur und vermutlich sogar ungefähr ihr Alter, war aber trotzdem eine völlig andere Erscheinung als Laurie mit ihren blonden Haaren und dem blassen Teint. »Bitte setzen Sie sich doch«, sagte sie, während sie Lauries Mantel mit einem Kleiderbügel in einen schmalen Schrank hängte.
Laurie setzte sich, Loraine trat hinter den Schreibtisch und tat es ihr gleich.
»Ich habe noch nie mit einer Gerichtsmedizinerin gesprochen«, sagte Loraine lächelnd. »Ich bewundere Ihre Arbeit zutiefst.«
»Wir kommen nicht viel rum«, erwiderte Laurie. »Die meisten Besuche vor Ort werden von unseren kriminaltechnischen Assistenten erledigt.« Sie zuckte innerlich zusammen, als ihr klar wurde, dass Bingham mit ihrem Vorgehen bestimmt nicht einverstanden wäre.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sich Loraine. »Ich nehme an, Sie sind wegen des unglücklichen MRSA-Todesfalls von gestern hier.«
»Unter anderem, ja«, erwiderte Laurie. »Ich habe Mr Jeffries heute Morgen obduziert. Die Größe und Menge der Entzündungsherde war, um es vorsichtig auszudrücken, dramatisch, vor allem die Geschwindigkeit, mit der sie sich ausgebreitet haben.«
»Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr uns das alles mitnimmt, und damit meine ich nicht nur den tragischen Tod eines im Grunde genommen völlig gesunden Menschen, sondern auch die Tatsache, dass so etwas geschehen konnte, obwohl wir alle erdenklichen Vorsorgemaßnahmen getroffen haben.«
»Eine Kollegin hat mir erzählt, welche Anstrengungen Sie unternommen haben. Ich kann mir vorstellen, dass das sehr entmutigend für Sie sein muss, zumal Sie allem Anschein nach elf solcher Fälle miterlebt haben.«
» Entmutigend ist ein viel zu schwacher Ausdruck dafür. Haben Sie bei der Obduktion denn etwas herausgefunden, was uns weiterhelfen könnte? Nach Ihrem Anruf hatte ich so etwas gehofft.«
»Ich fürchte, nein«, gab Laurie zu.
»Warum sind Sie dann hier?«
Laurie wand sich auf ihrem Stuhl. Auch wenn die Frage keineswegs feindselig geklungen hatte, so fragte sie sich jetzt auch, was genau Sie sich eigentlich von diesem Besuch versprochen hatte, und für einen kurzen Augenblick kam sie sich töricht vor.
»Ich wollte Sie nicht unter Druck setzen«, sagte Loraine, die Lauries Unbehagen spürte.
»Ist schon in Ordnung«, erwiderte Laurie. »Nach dieser Obduktion heute Morgen habe ich mehr oder weniger zufällig von den anderen Fällen erfahren, die im Verlauf der letzten dreieinhalb Monate aufgetreten sind. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich etwas unternehmen muss. Irgendwie hat das Gerichtsmedizinische Institut dadurch, dass dieser Ausbruch nicht bemerkt wurde, Sie und die ganze Stadt im Stich gelassen. Es gehört eigentlich zu unserer Arbeit, so etwas nicht unbemerkt durch das Netz schlüpfen zu lassen.«
»Ich weiß Ihr Verantwortungsbewusstsein sehr zu schätzen, aber ich glaube, in diesem Fall brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Wir waren uns des Problems von Anfang an bewusst, und Sie können mir glauben, dass wir alles Erdenkliche dagegen unternommen haben. Und wenn ich sage alles, dann meine ich wirklich alles. Wir haben sogar eine Vollzeitkraft eingestellt, eine Spezialistin für Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle. Auch ich persönlich, als Vorsitzende der abteilungsübergreifenden Hygienekommission dieser Klinik, habe vom ersten Tag an versucht, etwas dagegen zu tun. Wir haben überall Informationen eingeholt, auch bei unseren Ärzten, den Schwestern und Pflegern, der Haustechnik, dem Labor, einfach überall. Seit dem ersten MRSA-Fall hat unsere Kommission sich praktisch wöchentlich getroffen. Wir haben sogar eine Zeit lang den Operationstrakt ganz geschlossen und gar nicht mehr operiert.«
»Das habe ich bereits gehört«, erwiderte Laurie. »Ich weiß zwar nicht besonders viel über Epidemiologie, aber bei dieser Geschichte hier
Weitere Kostenlose Bücher