Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
Sie mich Rita.«
Das nimmst du bestimmt wieder zurück, sobald du weißt, wieso ich anrufe, dachte Jennifer, während sie versuchte, den Mut aufzubringen und anzufangen. Ihr war bereits jetzt klar, dass Rita, genau wie Mrs Benfatti und sie, noch nichts vom Schicksal ihres Mannes erfahren hatte, und das, obwohl es auf CNN bereits ausgestrahlt wurde. Um den Schlag etwas abzumildern, erklärte Jennifer der Frau zunächst einmal, was Lucinda und sie via CNN erfahren hatten.
»Das ist ja schrecklich, wenn man das so erfahren muss«, sagte Rita mitfühlend, doch dann wurde ihre Stimme leiser. Sie begann, den Grund für Jennifers Anruf zu ahnen.
»Ja«, sagte Jennifer zustimmend. »Vor allem, weil die Medien in den USA so etwas unbedingt vermeiden wollen. Dort werden immer zuerst die Angehörigen informiert. Aber, Mrs Lucas, vor wenigen Minuten habe ich bei CNN International mitbekommen, wie die beiden Nachrichtensprecher über den tragischen Tod Ihres Mannes gesprochen haben.«
Als es schließlich heraus war, verfiel Jennifer in Schweigen. Die Sekunden verstrichen, und Jennifer wusste nicht, ob sie ihr Beileid bekunden oder auf eine Reaktion von Mrs Lucas warten sollte. Nach einiger Zeit konnte sie nicht mehr länger ruhig bleiben. »Es tut mir sehr leid, dass ich es bin, die Ihnen diese furchtbare Nachricht überbringt, aber es gibt dafür auch einen ganz konkreten Grund.«
»Soll das vielleicht irgend so ein sadistischer Scherz sein?«, wollte Rita aufgebracht wissen.
»Nein, ganz bestimmt nicht«, sagte Jennifer. Sie konnte die Wut und den Schmerz der Frau genau spüren.
»Aber ich bin vor wenigen Stunden noch bei ihm gewesen, und da war er putzmunter«, schrie sie ins Telefon.
»Mrs Lucas, ich kann gut verstehen, wie Sie empfinden, wenn Sie plötzlich von einer wildfremden Frau einen solchen Anruf bekommen. Aber ich versichere Ihnen, dass im Fernsehen die Meldung verbreitet wird, dass ein gewisser David Lucas aus Jacksonville, Florida, vor ungefähr einer Stunde im Aesculapian Medical Center verstorben ist und dass er eine Frau und zwei Kinder hinterlässt.«
»Mein Gott!«, stieß Rita verzweifelt hervor.
»Mrs Lucas, bitte rufen Sie in der Klinik an, und fragen Sie nach, ob das stimmt. Und falls ja, was ich wirklich nicht hoffe, dann rufen Sie mich bitte zurück. Ich versuche nur, Ihnen zu helfen. Falls es stimmt und man versucht, Sie zu einer Einäscherung oder einer Einbalsamierung des Leichnams zu drängen, dann tun Sie das bitte nicht. Aufgrund meiner Erfahrungen mit der Klinik, in der meine Granny und Mr Benfatti operiert worden sind, habe ich Grund zu der Annahme, dass in der Medizintourismus-Industrie in Indien irgendetwas faul ist, und zwar ganz gewaltig faul.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, gab Rita zurück. Sie war verärgert, aber gleichzeitig auch verunsichert durch Jennifers ernsten Tonfall.
»Sagen Sie gar nichts. Sprechen Sie einfach mit der Klinik, und rufen Sie mich anschließend gleich zurück. Ich habe übrigens bereits im Aesculapian Medical Center angerufen, aber dort wollte man mir nichts sagen, was wirklich nicht nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass es bereits auf einem internationalen Fernsehsender zu hören war. Ich wohne im Amal Palace Hotel und bleibe hier neben meinem Telefon sitzen. Und ich möchte Ihnen noch einmal sagen, wie leid es mir tut, dass ich Sie anrufen musste, obwohl das eigentlich die Pflicht der Klinik gewesen wäre.«
Das Nächste, was Jennifer hörte, war ein Summton. Rita hatte einfach aufgelegt. Hätte ich umgekehrt vielleicht auch gemacht, dachte Jennifer und legte langsam den Hörer auf die Gabel. Sie verabscheute es, die Überbringerin schlechter Nachrichten zu sein, und fühlte sich entsprechend. Gleichzeitig war ihr als Medizinstudentin aber auch klar, dass sie im Lauf ihrer beruflichen Karriere immer wieder in diese Situation kommen würde.
An Schlaf war jetzt natürlich nicht mehr zu denken, und so fragte sie sich, was sie machen sollte. Sie versuchte es noch einmal mit der Lektüre des Reiseführers, gab aber schnell wieder auf. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Dann sorgte sie sich, dass der CNN-Bericht zwar korrekt gewesen war, Rita aber womöglich trotzdem nicht zurückrufen würde, weil sie in einer Art Übertragung ihr als Überbringerin der Botschaft die Schuld an dem Ereignis gab.
Weil ihr nichts Besseres einfiel, stellte Jennifer den Ton des Fernsehers wieder laut und schaute sich geistesabwesend einen Bericht über
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