Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
sich auf die Seite, dachte allgemein über Zyanose und besonders darüber nach, ob Herbert Benfatti vielleicht auch zyanotisch gewesen war und wie sie das herausfinden konnte.
Noch einmal fünf Minuten später lag sie auf dem Bauch und überlegte, was sie morgen machen sollte. Sie hatte garantiert nicht vor, den ganzen Tag im Queen Victoria Hospital zu hocken und sich herumschubsen zu lassen. Vielleicht konnte sie sich ein paar Sehenswürdigkeiten anschauen, auch wenn das in ihrem geistesabwesenden Zustand eher anstrengend werden würde. Sie kannte sich gut genug, um zu wissen, dass sie selbst unter optimalen Bedingungen nicht gerade begeistert zwischen alten Gemäuern und Gräbern herumschlich. Was sie interessierte, das waren die Menschen.
An diesem Punkt angelangt, fiel ihr ein, wie wenig sie über die indische Bevölkerung und deren Kultur wusste.
»Verdammt!«, sagte sie unvermittelt in die Dunkelheit. Obwohl ihr Körper hartnäckig darauf bestand, müde zu sein, brummte ihr Geist wie ein Bienenstock. Frustriert setzte sie sich auf, knipste die Nachttischlampe an, holte die Indien-Reiseführer, die sie auf dem Flughafen in Los Angeles noch gekauft hatte, aus dem begehbaren Kleiderschrank und warf sie auf das Bett. Dann drehte sie den Fernseher so, dass sie ihn gut sehen konnte, legte sich wieder hin und schaltete CNN International ein. Jetzt hatte sie das Wasser vergessen! Sie fluchte erneut, stand wieder auf, holte sich aus der Minibar eine Flasche kaltes Mineralwasser und machte den Deckel ab. Wieder im Bett, schüttelte sie die Kissen auf und ließ sich gegen das Kopfbrett sinken. Als sie es sich dann endlich bequem gemacht hatte, klappte sie einen der Reiseführer auf und vertiefte sich in das Kapitel über Alt-Delhi.
Während die CNN-Nachrichtensprecher irgendetwas über clevere französische Unternehmer sagten, die Disney-Themenhotels für Dubai ersonnen hatten, las Jennifer einen Abschnitt über das während der Herrschaft der Mughal-Kaiser erbaute Rote Fort mit sehr vielen Fakten und Zahlen und Namen und Daten. Auf der nächsten Seite wurde die größte Moschee Indiens beschrieben, ebenfalls mit jeder Menge langweiliger Statistikangaben, zum Beispiel, wie viele Menschen während einer Freitagsandacht hineinpassten. Doch dann stieß sie auf einen Absatz, der sie wirklich interessierte: eine längere Beschreibung des berühmten Basars von Alt-Delhi.
Noch während sie den weltbekannten Gewürzbasar auf dem Kartenausschnitt des Reiseführers suchte, zog der Fernseher ihre Aufmerksamkeit auf sich. Die Sprecherin sagte gerade: »Im Zusammenhang mit den Meldungen über zwei Todesfälle in den bislang so gerühmten, auf Medizintouristen spezialisierten Kliniken in Indien hat sich vor rund einer Stunde ein dritter Fall ereignet. Während die ersten beiden Fälle sich im Queen Victoria Hospital in Neu-Delhi zugetragen haben, wird der tragische Todesfall des heutigen Abends aus dem Aesculapian Medical Center gemeldet, das sich ebenfalls in Neu-Delhi befindet. Betroffen war ein achtundvierzigjähriger Mann aus Jacksonville, Florida, namens David Lucas. Sein Allgemeinzustand war gut, trotz seines starken Übergewichts. Er hatte sich am heutigen Vormittag einer Magenverkleinerung unterzogen. David Lucas hinterlässt eine Frau und zwei Kinder im Alter von zwölf und zehn Jahren.«
Wie hypnotisiert setzte Jennifer sich auf.
»Was für eine Tragödie«, fiel der männliche Sprecher ein. »Vor allem für die Kinder. Wurde denn auch eine Todesursache gemeldet?«
»Ja. Allem Anschein nach war es eine Kombination aus Herzinfarkt und Schlaganfall.«
»Das ist ja furchtbar. Da fahren die Leute nach Indien, um ein paar Dollar zu sparen, und bumm, kommen sie in einer Kiste nach Hause. Wenn ich mich operieren lassen müsste und mich zwischen etwas niedrigeren Kosten und dem Tod einerseits und etwas höheren Kosten und dem Leben andererseits entscheiden müsste, ich wüsste genau, was ich machen würde.«
»Keine Frage. Und ganz offensichtlich reagiert ein Teil der Klientel ganz genauso. CNN bekommt jedenfalls immer mehr Berichte und E-Mails von Menschen, die eine Operation in Indien abgesagt haben.«
»Das wundert mich nicht im Geringsten«, erwiderte der Sprecher. »Wie gesagt, wenn es um mich ginge, ich würde mit Sicherheit auch absagen.«
Während die beiden Nachrichtensprecher das Thema wechselten und sich nun dem Halloween-Fest widmeten, das schon in zwei Wochen stattfand, stellte Jennifer den Ton des Fernsehers
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