Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
eine Ratte vervollständigten das Bild.
»Ich kann hier auf Sie warten«, sagte der Fahrer, der um das Auto herumgekommen war und Jennifer die Tür aufhielt. »Wissen Sie schon, wie lange Sie brauchen werden?«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Jennifer.
»Falls ich nicht mehr hier stehen sollte, dann rufen Sie mich bitte auf dem Handy an, wenn Sie abgeholt werden wollen.«
Jennifer nickte dankend, doch ihre Gedanken kreisten bereits um die Klinik. Sie wusste nicht, was sie erwartete, und spürte, wie aufgewühlt sie war. Angesichts des Todes ihrer Großmutter empfand sie nicht einfach nur Trauer, sondern wurde jetzt, da sie hier war, von einer immer mächtigeren Wut erfasst. Es erschien ihr völlig logisch, dass dieser zweite ähnliche Todesfall innerhalb von nur zwei Tagen mit Sicherheit hätte verhindert werden können. Dabei war ihr durchaus klar, dass dieser Gedanke nicht hundertprozentig rational und womöglich stark von ihrem allgemeinen Gefühlszustand beeinflusst war, aber trotzdem. Vor allem die Erschöpfung und der Jetlag machten ihr deutlich mehr zu schaffen, als sie gedacht hatte.
Sie hatte kaum geschlafen. Dann hatte auch noch ihr Fahrer Verspätung gehabt, was, wie sie noch erfahren sollte, in Indien gang und gäbe war. Daher musste sie sich in der Hotellobby die Beine in den Bauch stehen. Wenn sie sich hingesetzt hätte, wäre sie womöglich auf der Stelle eingeschlafen, also hatte sie die Zeit genutzt, um sich nach Mrs Benfatti zu erkundigen. Es stellte sich heraus, dass sie tatsächlich auch im Amal Palace Hotel wohnte. Jennifer hatte sich noch nicht entschieden, ob sie sich tatsächlich bei ihr melden wollte, aber jetzt wusste sie zumindest Bescheid.
Die beiden riesengroßen, traditionell gekleideten und Turban tragenden Türsteher wirkten auf Jennifer genauso unerschütterlich wie das Klinikgebäude selbst. Die Männer begrüßten sie auf indische Art mit zusammengelegten Handflächen, bevor sie die Türen aufzogen, wortlos und ohne ihre ausdruckslosen Mienen zu verziehen.
Das Innere der Klinik war eindeutig zu kühl, als wollte man allein dadurch ihren Luxus unterstreichen. Außerdem strahlte es die gleiche Modernität und den gleichen Reichtum aus wie die Fassade. Die Böden waren aus Marmor, die Wände aus hochglanzpoliertem hellem Tropenholz und die Möbel aus glattem Edelstahl kombiniert mit Seide. Links befand sich ein hübsches Stehcafe, das auch zu einem westlichen Fünf-Sterne-Hotel gepasst hätte.
Jennifer war sich nicht sicher, was sie machen sollte, und ging zum Informationsschalter, der mehr dem Empfangstresen eines Ritz-Carlton oder eines Vier Jahreszeiten ähnelte als einem Krankenhaus, vor allem dank der attraktiven jungen Frauen, die nicht etwa rosafarbene Arbeitskittel trugen, sondern in eindrucksvolle Saris gekleidet waren. Eine von ihnen bemerkte Jennifer und erkundigte sich freundlich, ob sie ihr behilflich sein könne. Jennifer wusste, wie die gestressten Angestellten und ehrenamtlichen Helfer in amerikanischen Krankenhäusern sich verhielten, und war bereits jetzt von der Kundenfreundlichkeit des Hauses beeindruckt.
Sie nannte der Empfangsdame ihren Namen, die ohne zu zögern erwiderte, dass Mrs Kashmira Varini sie bereits erwartete und dass sie die Patientenbetreuerin über ihre Ankunft informieren werde. Während die Empfangsdame telefonierte, ließ Jennifer ihren Blick durch das Foyer schweifen. Sogar einen kleinen Kiosk mit Souvenir-Shop gab es hier.
Wenige Augenblicke später stand Mrs Varini in einer der Bürotüren hinter dem Informationsschalter. Sie trug einen besonders auffälligen Sari aus einem erlesenen Stoff. Jennifer ging auf sie zu und musterte sie dabei von Kopf bis Fuß. Sie war schlank und kaum kleiner als Jennifer mit ihren 1,69m. Die Haare, die sie hochgebunden und mit einer silbernen Spange fest am Hinterkopf zusammengefasst hatte, waren eindeutig dunkler als Jennifers, genau wie ihre Augen. Sie machte auf den ersten Blick eigentlich einen recht sympathischen Eindruck, doch die schmalen Lippen hätten ihr vermutlich einen harten Zug verliehen, wenn sie nicht ein strahlendes Lächeln aufgesetzt hätte. Jennifer sollte später feststellen, dass es falsch war. Als Kashmira dann vor Jennifer stand, hieß sie sie mit der indischen Willkommensgeste willkommen. »Namaste«, sagte sie.
Jennifer fühlte sich zwar nicht ganz wohl dabei, erwiderte aber ihren Gruß.
Dann überhäufte Kashmira sie mit einer Reihe von Höflichkeitsfragen … wie die
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