Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
noch?«
»Dafür habe ich keine Zeit«, scherzte Carl. »Ja, natürlich. Ich habe heute einige Besprechungen mit Analysten, um zu hören, wo sie uns sehen – wertemäßig.«
»Gut«, sagte Ben und gab ein Zeichen, dass das Meeting beendet war. »Halt mich auf dem Laufenden. Ich möchte an diese Sache mit Hochdruck ran, solange unsere Kapitalgeber heiß darauf sind, ihre Beteiligungen bei uns zu erhöhen.«
Carl stand auf und streckte sich. »Ich muss schon sagen, wir befinden uns da in einer beneidenswerten Situation. Als Finanzchef hatte ich bisher nie die Freude, Zugriff auf anscheinend unbegrenzte Ressourcen zu haben.«
Carl war schon fast an der Tür zum Flur, als Ben ihm nachrief: »Ich laufe morgen ein Zehn-Kilometer-Rennen, darum gehe ich heute früher. Ich schau aber vorher noch bei dir vorbei.«
Carl drehte sich um und streckte beide Daumen hoch in Bens Richtung. Dann wandte er sich wieder zum Gehen.
»Carl«, stoppte Ben ihn erneut. »Ich habe vergessen, dich zu fragen – hast du Satoshi heute schon gesehen?« Natürlich hatte Ben die Frage nicht vergessen. Nur war wieder sein Aberglauben durchgekommen, und er hatte gehofft, Carl würde das Thema von selbst ansprechen. Dadurch, dass er, Ben, fragen musste, war er sich sicher, dass er eine negative Antwort erhalten würde. Und das war auch so.
»Noch nicht. Hast du Clair schon gefragt, für den Fall, dass er an mir vorbeigekommen ist, ohne dass ich ihn gesehen habe?«
»Hab ich nicht«, gab Ben zu.
»Er ist bisher noch nicht hier«, rief Jacqueline unsichtbar aus ihrem Zimmer. »Ich habe Clair gefragt, als ich ins Büro gekommen bin, und sie sagte nein. Und er hat sich auch seitdem nicht blicken lassen.«
»Da hast du’s«, sagte Carl. »Er ist noch nicht hier.« Carl tippte zum Gruß an seine Stirn und verschwand in den Flur.
Enttäuscht schüttelte Ben den Kopf. Ein Hauch Paranoia machte sich in ihm breit. Warum tat Satoshi ihm so etwas an? Ben sah auf das Testament und die Fonds-Unterlagen, die ihn sowohl zum Vormund von Satoshis Sohn machten als auch zu dessen Vermögensverwalter, sollte seinen Eltern irgendetwas zustoßen. Unter normalen Umständen wäre ihm dies Mittel zur Beruhigung gewesen. Aber jetzt nicht. Das Problem bestand darin, dass Yunie-chan, Satoshis Ehefrau, die Dokumente noch nicht unterzeichnet hatte.
Mit plötzlicher Entschlossenheit griff Ben in seine Jacketttasche und zog sein Handy heraus. Mit demselben Sinn für Aberglauben, der sein Beweggrund gewesen war, Carl nicht nach Satoshi zu fragen, wollte er Satoshi auch nicht anrufen. Er ignorierte dieses Gefühl und wählte. Im selben Moment, in dem die Voicemail einsetzte, beendete Ben die Verbindung. Stattdessen wählte er Michael Calabreses Büronummer. Wie gewöhnlich erreichte er den Placement Agent nicht und hinterließ stattdessen eine Nachricht für ihn auf der Voicemail. So ärgerlich dies unter den gegebenen Umständen auch war, war er sich wenigstens sicher, einen Rückruf zu erhalten im Gegensatz zu seinen Aufforderungen an Satoshi, ihn anzurufen.
Aus einem Impuls heraus griff sich Ben den Treuhändervertrag und blätterte zur Unterschriftenseite. Satoshis Unterschrift war dort, zusammen mit seinem Inkan , seinem Siegel. Die Unterschrift bestand lediglich aus einem wilden Gekritzel. Ben hatte gelernt, dass der wichtige Teil der orangerote Inkan war, zusammen mit zwei Zeugenunterschriften, beide von Angestellten von iPS USA. Außerdem konnte man dort Pauline Wilsons Unterschrift als Notarin lesen. Die einzige, die fehlte, war die von Yunie-chan und ihr Inkan .
Plötzlich fühlte Ben einen Teil der Anspannung von sich gleiten, obwohl die Dokumente noch nicht von Yunie-chan unterzeichnet worden waren. Er überlegte, dass Saboru Fukuda, mit Unterstützung von Vinnie Dominick, sicher in der Lage wäre, sowohl Unterschrift als auch das Siegel als Fälschung beizubringen. Er lächelte über seine Paranoia. Als Nächstes las er den letzten Willen der Ehefrau durch. Hier könnte ebenfalls eine Fälschung platziert werden, so dass Ben gleichzeitig Vermögensverwalter und Vormund sein würde. Ben stieß einen beruhigten Seufzer aus, als er sich vergegenwärtigte, dass, auch wenn das Schlimmstmögliche geschah und Satoshi mit seiner Frau oder auch ohne sie etwas Unvorhergesehenes zustieß, iPS USA nicht ohne Lizenzvertrag dastehen würde. Shigeru würde der Besitzer werden, und Ben wäre sein Vermögensverwalter.
Er schnappte sich die rechtsverbindlichen Dokumente und
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