Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
sie, und zusammen hoben sie den Leichnam vom Tisch auf die Bahre. Dann ging sie ohne weiteren Kommentar davon.
Laurie blieb unterwegs an Jacks Tisch stehen. »Du hast ja ein Kind da liegen«, sagte sie und versuchte, nicht direkt in das Gesicht des Mädchens zu blicken, das noch nicht einmal das Teenageralter erreicht hatte. Kinder, und besonders die ganz jungen, waren immer schon schwierige Fälle für Laurie gewesen, trotz ihres Kampfes um Professionalität und all ihrer Bemühungen, ihre Gefühle während der Arbeit außen vor zu lassen.
»Leider hast du recht«, antwortete Jack. »Und dazu noch ein besonders herzzerreißender Fall obendrein, um es mal so auszudrücken. Willst du die Geschichte hören?«
»Ja, sicher«, sagte Laurie, deren Stimme es deutlich an Begeisterung fehlte.
Jack nahm das Herz des Kindes, das auf einem Tablett lag, in seine Hand und hob die Seite an, an der er einen Schnitt gemacht hatte und der den Blick auf eine Aortenklappe freigab, die einem Schwein entnommen und dem Mädchen eingesetzt worden war. »Ein Faden hatte sich gelöst, nachdem die OP erfolgreich verlaufen war. Dieser Faden hatte sich in der Klappe verfangen. Ein einziger Faden – von hundert! Eine Tragödie für alle Beteiligten: den Chirurgen, die Eltern, aber natürlich am meisten für das Kind!«
»Ich kann nur wünschen, dass der Chirurg oder die Chirurgin durch diesen Fehler etwas lernt.«
»Das wollen wir hoffen«, sagte Jack. »Er wird definitiv davon erfahren. Willst du dich jetzt wieder um deinen gestrigen Fall kümmern?«
»Ja.«
»Viel Glück!«
»Danke, dass du mich vorhin nicht weiter gedrängt hast, mein Verhalten zu erklären.«
»Gern geschehen. Aber langsam werde ich schrecklich neugierig und möchte heute Abend hören, was du alles zusammengetragen hast. Ich nehme an, das Schauen der Videoaufzeichnungen war um einiges ergiebiger, als ich vermutet hatte.«
»Sie waren ganz interessant …«, neckte Laurie ihn. »Aber was anderes: Vinnie benimmt sich heute überhaupt nicht wie sonst.«
»Wirklich? Das klingt gar nicht nach Vinnie. Naja, er hat mich Dr. Stapleton genannt, als ich vorhin an deinem Tisch stand. Normalerweise kommt dann etwas viel Spöttischeres.«
»Vielleicht ist das meine Schuld, weil ich ihn heute Morgen absichtlich entführt habe. Aber ich hatte ihm die Möglichkeit offengelassen, auf dich zu warten, um mit dir zu arbeiten.«
»Danke für den Hinweis«, sagte Jack, und Laurie lief weiter.
Im Umkleideraum zog sie ihren weißen Overall aus und warf ihn in den Müll, bevor sie die Treppen zu ihrem Büro hochging. Ihren ersten Halt machte sie im Zimmer von Sergeant Murphy, dem sie ihre Information über den Taschendiebstahl weitergab, den sie gestern auf dem Videoband gesehen hatte. Dann fragte sie nach John Doe.
»Ich habe rein gar nichts über Ihren Fall von gestern gehört«, bekannte der Sergeant. »Aber heute rechne ich mit Nachrichten. Wenn nicht, rufe ich selbst bei der Vermisstenstelle an. Aber wenn die einen Anruf wegen eines vermissten asiatischen Mannes erhalten hätten, hätten sie mir Bescheid gegeben.«
Laurie dankte ihm und ging die nächste Treppe hinauf, wo sie bei Hank Monroe hereinschaute, dem Direktor der Identifizierungsabteilung der Anthropologie. Laurie klopfte an die verschlossene Tür. Es schien, dass Hank es im Gegensatz zu den meisten anderen bevorzugte, für sich zu sein.
Hank Monroe war auch keine größere Hilfe als Sergeant Murphy. Er wusste, dass die Vermisstenstelle noch nicht einmal die Fingerabdrücke mit der lokalen Datei abgeglichen hatte, geschweige denn mit den staats-oder bundesweiten Dateien. »Ich habe Ihnen doch bestimmt schon gestern gesagt, dass sie vierundzwanzig Stunden warten, bevor sie einen Fall bearbeiten, weil ein Großteil der Fälle sich durch einen Anruf innerhalb dieses Zeitraums erledigt. Aber sobald ich etwas höre, sind Sie die Erste, die ich benachrichtige.«
Von Monroes Büro aus ging Laurie hoch zur Toxikologie und bleib bei John DeVries stehen. »Bisher haben die Tests nichts gebracht«, sagte John in entschuldigendem Tonfall. »Es tut mir leid. Sie haben doch den Blutalkoholwert erhalten, oder?«
»Ja, habe ich. Und ich finde es wirklich großartig, dass Sie den Test so schnell gemacht haben.«
»Wir helfen ja gerne«, sagte John in seiner neuen Persönlichkeit. »Aber ich möchte darauf hinweisen, dass, obwohl die toxikologische Untersuchung bisher nichts ergeben hat, das nicht heißt, dass da nichts ist. Bei
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