Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
einen Drohbrief zu schreiben.«
»Was stand nochmal in dem Brief? Ich weiß, dass Sie ihn mir vorgelesen haben, als Sie mich zurückgerufen haben, aber ich hab’s vergessen.«
»Da stand genau das drin, was Sie wollten: dass ihre Familie ernste Konsequenzen zu spüren bekommen würde, wenn sie nicht eine natürliche Todesursache bescheinigen würde. Außerdem habe ich geschrieben, dass ihre Familie dieselben Konsequenzen zu erwarten hätte, wenn sie zur Polizei gehen würde.«
»Gut, gut«, sagte Carlo. »Und Sie sind sich sicher, dass sie Ihren Liebesbrief erhalten hat?«
»So sicher, wie ich sein kann. Ich war in ihrem Büro und habe den Brief auf ihrer Tastatur gesehen. Sie hätte sich schon sehr anstrengen müssen, ihn nicht zu entdecken.«
»Und?«
»Und was?!«
»Wissen Sie, ob sie ihn gelesen hat?«
»Ich nehm’s an, aber ich bin nicht so lange geblieben, um darauf zu warten, dass sie es tut.«
»Hat sich ihr Verhalten geändert?«
»Nicht in der Art, wie Sie es wünschen. Es ist eher so, wie ich gestern schon vorausgesagt hatte, dass der Brief sie eher noch animiert hat, sich stärker um den Fall zu bemühen. Sie sagte mir sogar heute Morgen, dass sie in der letzten Nacht etwas besonders Interessantes erfahren hätte.«
»Wie zum Beispiel?«, wollte Carlo wissen. Sein Ton wechselte von neckend zu todernst.
»Ich weiß nicht«, sagte Vinnie. »Sie sagte, sie würde in ihren Untersuchungen gerne weiter in die Tiefe gehen. Ich glaube, sie denkt, sie hätte Fortschritte gemacht, und meine Vermutung geht dahin, dass sie eher in Richtung Mord als in natürliche Todesursache tendiert.«
Daraufhin hörte Vinnie unterdrückt eine Unterhaltung, als ob Carlo versuchte, die Sprechmuschel seines Telefons zuzuhalten. Vinnie bekämpfte den Drang, aufzulegen und wartete. Und während er wartete, musste er sich eingestehen, dass er immer tiefer in eine Situation hineingezogen wurde, die nicht gut enden konnte. Als Nächstes würde Carlo ihn auffordern, etwas viel Schlimmeres zu tun, als einen Drohbrief zu verfassen, und selbst das war schon schlimm genug gewesen.
Vinnie beendete das Gespräch und realisierte gleichzeitig, dass er damit sich und seine Familie in sogar noch größere Gefahr bringen könnte, als sie sowieso schon auszustehen hatten. Seine Panik wurde so groß, dass er den überstürzten Entschluss fasste, die Stadt zu verlassen. Das war seine einzige Chance. Er hatte noch jede Menge offene Kranken-und Urlaubstage. Er wusste zwar, dass die Verwaltung gerne längerfristig im Voraus von solchen Plänen unterrichtet wurde, dennoch war er sich sicher, dass sie eine Ausnahme machen würden, besonders, wenn er einen Notfall in der Familie vorgab.
Mit plötzlicher Entschlossenheit rief Vinnie seine Frau Charlene an, die in dem Umzugsunternehmen ihres Bruders in Garden City, Long Island arbeitete. Er wusste, dass sie sich würde freinehmen können. Das Geschäft lief in letzter Zeit schleppend. Das einzige Problem würden die Mädchen und die Schule sein, aber so war das Leben eben. Während er auf eine Verbindung wartete, rannte er die hintere Treppe zum ersten Stockwerk hinaus, wo das Büro der Personalchefin zu finden war.
»Hastings Umzüge und Lagerung«, meldete sich Charlene.
Vinnie verschwendete keine Worte. Charlene war zuerst entsetzt, aber nachdem Vinnie ihr erklärt hatte, dass Paulie Cerino und die Vaccarros mit im Spiel waren, war sie verständnisvoll. Sie war mit Vinnie in Rego Park aufgewachsen und wusste alles über die Mafia und die Gefahr, die von ihr ausging. Sie wusste auch, dass Vinnie Paulie Cerino verpflichtet war und was das bedeutete.
»Wir müssen das sofort machen«, drängte Vinnie angespannt. »Heute! Hol die Mädchen und wir fahren. Florida ist schön zu dieser Jahreszeit.«
»Ich muss wenigstens ein paar Dinge einpacken«, sagte Charlene, die Vinnies Panik spürte.
»Natürlich, aber mach kein Lebenswerk draus«, mahnte Vinnie. »Und sag niemandem, dass wir weggehen.«
»Was ist mit meiner Tante Hazel? Wir können sie nicht einfach in Fort Myers überfallen. Und ich muss es meinem Bruder erzählen.«
»Sag’s deinem Bruder, natürlich. Aber sag ihm auch, dass niemand sonst es wissen darf. Was deine Tante angeht, die rufen wir von unterwegs an. Es könnte sogar besser sein, wir bleiben in einem der billigen Motels in der Nähe vom Strand.«
»Wann kommst du nach Hause?«
»Sobald wie möglich, spätestens in einer Stunde«, sagte Vinnie. »Ich stehe jetzt gerade
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