Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
scharfe Linkskurve, die der Gang machte, damit sie mit ihren glatten Ledersohlen nicht ausrutschte.
Als sie im Hauptkühlraum ankam, schlitterte sie in den Stand. Sie fasste nach dem Griff, der ebensogut zu einer Fleischkühlung gepasst hätte, zog daran und öffnete die schwere, isolierende Tür. Sie betrat den kalten, nebligen Raum und schaltete das Licht an, das aus nackten Glühbirnen in Gittergehäusen aus Metall leuchtete und komplizierte Zickzackmuster auf die zerkratzten und verschmutzten weißen Wände warf.
Jack folgte ihr und ließ die Tür mit einem Klicken ins Schloss fallen. Einen Moment lang zitterte er in der Kälte. Laurie riss an den Tüchern, die die Leichen in der Nähe der Tür bedeckten, um ihre Gesichter und den oberen Teil der Brust freizulegen. Es standen um die zwanzig Transportliegen kreuz und quer herum, und auf jeder lag ein abgedeckter Körper.
»Kann ich dir helfen?«, fragte Jack. Er hatte noch immer keine Ahnung, warum Laurie das tat. Dann fiel ihm Warren ein, und dass er ihn oben gesehen hatte. Langsam keimte ein fürchterlicher Verdacht in ihm auf.
Laurie antwortete ihm nicht. Sie war voll und ganz darauf fixiert, jedes einzelne Gesicht zu entblößen und es unbedeckt zu lassen, damit sie später nicht noch einmal dasselbe tun müsste. Sie musste die Transportliegen verschieben, um sich ihren Weg durch den Raum zu bahnen.
Schließlich fand sie, wonach sie gesucht hatte. Sie riss das Laken zurück und hielt den Atem an. Es war eindeutig Leticia Wilson, die dort lag und aus leeren Augen an die Decke starrte. Ihr blasses Gesicht schien in einem Nest aus schwarzen, lockigen Haaren zu liegen. Der einzige Makel, neben ihrer Gesichtsfarbe, war eine ovale Eintrittswunde mitten auf ihrer Stirn, die Lauries geschultem Auge nach bis zur Hypophyse reichte.
Laurie schlug die Hand vor ihren Mund und erschauerte. Jack legte seinen Arm um sie.
»O mein Gott«, sagte er.
»Wo ist mein Baby?«, fragte Laurie mit gebrochener Stimme.
»War das oben Leticias Mutter?«
Laurie nickte wie in Trance. Sie wusste nicht, was sie denken sollte. Geschah das alles tatsächlich, oder gaukelte ihr Geist ihr einen Alptraum vor?
»Komm mit!«, sagte Jack, »wir müssen mit Lou darüber sprechen. Was für ein Glück, dass er gerade hier ist!«
Jack führte Laurie aus dem Kühlraum hinaus und dann zum Aufzug. »Ich bringe dich in dein Büro und hole dann Lou. Okay?«
Laurie nickte, sagte aber nichts. Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, wo JJ in diesem Moment sein mochte, oder wie es ihm ging. Sie war nicht sehr religiös, aber jetzt fing sie an, Gott Geschäfte vorzuschlagen, wenn er nur ihren Sohn gesund wiederbringen würde.
Als ob er Lauries Gedanken lesen konnte, sagte Jack, als sie ihr Büro betraten: »Versuch, nicht zu viel nachzudenken, bis wir uns beraten haben.« Nachdem er JJs Foto von ihrem Schreibtisch genommen und in einer Schublade verstaut hatte, half er ihr auf ihren Stuhl.
So schnell wie irgend möglich, kehrte Jack in den Empfangsbereich zurück, in dem sich inzwischen bedeutend weniger Menschen aufhielten. Die Familienmitglieder waren mit in den Identifizierungsraum gegangen, andere Besucher hatten das Gebäude verlassen. Jack fand Lou und Warren zusammen auf dem Sofa. Beide standen auf, als sie Jack kommen sahen.
»Tut mir sehr leid, die ganze Sache«, sagte Lou, sobald Jack in Hörweite war. »Wie verkraftet Laurie es?«
Jack dankte Lou für sein Mitgefühl und erklärte, dass Laurie entsetzlich aufgebracht sei, sich aber tapfer hielte.
»Während du weg warst, habe ich mich über die Situation informiert«, sagte Lou. »JJ wurde gekidnappt. Wenn es dir ein Trost ist, die Polizei nimmt diesen Fall sehr ernst und sieht ihn als oberste Priorität, mit allem, was dazugehört. Sogar der Polizeipräsident wurde benachrichtigt. Die ganze Truppe ist in die Ermittlungen einbezogen, und sie haben bereits die Medien informiert. Bald weiß die ganze Stadt darüber Bescheid. Ich habe soeben mit dem zuständigen Beamten gesprochen, der den Einsatz koordiniert. Sein Name ist Bennett, Mark Bennett. Er setzt auch Detectives vom Manhattan North Borough ein. Er ist ein guter Mann, du hast Glück, dass er an Bord ist. Es sind noch weitere Leute eingesetzt, aber Mark ist der Chef, der die Fäden in der Hand hält.«
»Was ist mit dem FBI?«
»Das FBI wurde ebenfalls eingeschaltet. Diese Entführung wird wirklich sehr ernst genommen.«
»Also ist es tatsächlich eine
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