Montgomery u Stapleton 01 - Blind
obwohl er es in Gedanken regelmäßig tat.
"Ich hätte die Triborough Bridge nehmen sollen", murmelte er, als der Verkehr auf der Queensboro zum Stillstand kam. Vom letzten Drittel der Brücke bis zur Einmündung in den Northern Boulevard ging es stop and go und meistens stop. Das gab Lou Zeit, an das letzte Mal zu denken, als er Paul Cerino gesehen hatte.
Es war vor etwa drei Jahren gewesen, als Lou gerade seinen Detective Sergeant gemacht hatte. Damals war er noch beim Dezernat Organisiertes Verbrechen gewesen und hatte Cerino gut vier Jahre im Nacken gesessen. Es war deshalb eine Überraschung gewesen, als der Telefonist des Reviers gesagt hatte, ein Mr. Paul Cerino sei am Apparat. Verwundert, warum der Mann, hinter dem er her war, ihn anrief, hatte Lou mit großer Neugier zum Hörer gegriffen.
"Hallo, wie gehts?" hatte Cerino gesagt, als ob sie die besten Freunde wären. "Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Würde es Ihnen was ausmachen, heute nachmittag nach Dienstschluß bei mir vorbeizukommen?"
In das Haus eines Gangsters eingeladen zu werden, war eine so aberwitzige Sache, daß Lou niemandem davon erzählen wollte. Aber schließlich hatte er es doch seinem Partner Brian OShea anvertraut, der ihn für verrückt erklärte, weil er angenommen hatte. "Was ist, wenn der dich umlegen will?"
"Brian!" hatte Lou gesagt. "Er würde mich nicht hier im Revier anrufen, wenn er vorhätte, mich kaltzumachen. Außerdem, selbst wenn er die Absicht hätte, würde er sich selbst schön raushalten. Es ist irgendwas anderes. Vielleicht will er einen Deal machen. Vielleicht will er jemand verpfeifen. Ich gehe jedenfalls hin. Vielleicht ist es ein dickes Ding."
So war Lou mit großen Hoffnungen auf einen Durchbruch hingegangen, der ihm vielleicht eine Belobigung oder sogar eine Beförderung eingebracht hätte. Natürlich erfolgte der Besuch ohne Brians Einverständnis, und Brian hatte auch darauf bestanden, mitzukommen und im Wagen zu warten. Sie hatten ausgemacht, daß Brian ein Einsatzkommando rufen würde, wenn Lou nicht spätestens nach einer halben Stunde wieder herauskäme.
Lou war mit einigem Bammel die Stufen zu Cerinos bescheidenem Haus in der Clintonville Street in Whitestone hinaufgestiegen. Selbst das Äußere des Hauses bereitete Lou Unbehagen. Es hatte etwas Falsches. Bei dem Riesengeld, das der Mann mit all seinen illegalen Aktivitäten und der einzigen legalen Firma, der American Fresh Fruit Company, machen mußte, war es Lou ein Rätsel, warum er in einem so kleinen, unauffälligen Haus wohnte.
Noch ein letzter Blick zurück zu Brian, dessen Bedenken Lous Besorgnis noch gesteigert hatten, und ein letzter Griff, um zu prüfen, ob seine Smith and Wesson richtig im Halfter steckte, dann drückte er auf die Klingel. Mrs. Cerino öffnete die Tür. Tief durchatmend trat Lou ein
Lou lachte laut auf, so daß ihm Tränen in die Augen traten. Dazu war das Erlebnis auch nach drei Jahren noch gut. Immer noch lachend, warf er einen kurzen Blick in den Wagen direkt links neben ihm. Der Fahrer sah ihn an, als hätte Lou den Verstand verloren, mitten in diesem widerlichen Verkehr zu lachen.
Es war ein Schock für Lou gewesen, als er, auf das Schlimmste gefaßt, an jenem Tag Cerinos Haus betreten hatte. Er war, ohne es zu ahnen, zu einer Überraschungsparty gekommen, die zur Feier seiner Ernennung zum Detective Sergeant gegeben wurde!
Damals hatte Lou sich gerade erst von seiner Frau getrennt, so daß außer auf dem Revier niemand von der Beförderung Notiz genommen hatte. Irgendwie hatte Cerino davon erfahren und beschlossen, eine Party für ihn zu veranstalten. Nur Mr. und Mrs. Cerino und ihre beiden Söhne Gregory und Steven. Es hatte Kuchen und Limo gegeben. Lou war sogar rausgegangen und hatte Brian geholt.
Die Ironie bei der ganzen Sache war, daß Lou und Cerino schon so lange Feinde gewesen waren, daß sie fast Freunde geworden waren. Schließlich wußten sie eine Menge voneinander.
Lou brauchte fast eine Stunde, um zu Cerinos Haus zu kommen, und als er endlich die Treppe hinaufging, war es etwa die gleiche Tageszeit wie damals, als die Überraschungsparty stattfand. Lou erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen.
Er blickte durch die Vorderfenster und sah, daß im Wohnzimmer Licht brannte. Draußen war es bereits dunkel, obwohl es erst halb sechs war. Der Winter war im Anmarsch.
Lou drückte auf die Klingel und hörte das gedämpfte Läuten. Die Tür wurde von Gregory geöffnet, dem älteren
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