Montgomery u Stapleton 01 - Blind
Jungen. Er war etwa zehn. Er erkannte Lou wieder, begrüßte ihn freundlich und bat ihn einzutreten. Gregory war ein guterzogener Junge.
"Ist dein Vater zu Hause?" fragte Lou.
Er hatte die Frage kaum ausgesprochen, als Cerino auch schon auf Strümpfen und mit einem Stock mit roter Spitze aus dem Wohnzimmer kam. Im Hintergrund lief ein Radio.
"Wer ist es?" fragte er Gregory.
"Detective Soldano", antwortete dieser.
"Lou!" rief Cerino, ging auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen.
Lou schüttelte Paul die Hand und bemühte sich, die Augen hinter der verspiegelten Sonnenbrille zu erkennen. Paul Cerino war ein großer Mann mit leichtem Übergewicht, seine wenig ausgeprägten Züge waren tief in das fleischige Gesicht eingesunken. Er hatte dunkles, kurzgeschnittenes Haar und große Ohren. Auf beiden Wangen waren rote Flecken von frisch verheilter Haut. Lou vermutete, daß das von der Säure herrührte.
"Wie wärs mit einem Kaffee?" fragte Paul. "Oder einem Schluck Wein?" Ohne eine Antwort abzuwarten, rief Paul nach Gloria, seiner Frau. Gregory kam mit Steven, dem jüngeren Cerino, zurück. Er war acht.
"Kommen Sie rein", forderte Paul Lou auf. "Setzen Sie sich. Erzählen Sie, was so los ist. Sind Sie noch verheiratet?"
Lou folgte Paul in das Wohnzimmer. Er merkte, daß Paul sich gut an seine verringerte Sehfähigkeit gewöhnt hatte, zumindest in den eigenen vier Wänden. Er brauchte den Stock nicht, um zum Radio zu gehen und es abzustellen. Und er brauchte ihn auch nicht, um seinen Lieblingssessel zu finden, in den er sich mit einem Seufzer fallen ließ.
"Tut mir leid, das mit Ihren Augen", sagte Lou und nahm Paul gegenüber Platz.
"So was passiert", erwiderte Paul gelassen.
Gloria erschien und begrüßte Lou. Wie Paul hatte auch sie etwas Übergewicht eine dralle Frau mit einem sanften, freundlichen Gesicht. Wenn sie wußte, womit ihr Mann sein Geld verdiente, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie agierte wie die typische Vorstadthausfrau aus der unteren Mittelschicht, die zusehen muß, daß sie mit dem Haushaltsgeld auskommt. Lou fragte sich, was Paul mit dem vielen Geld machte, das er scheffelte.
Lou entschied sich für Kaffee, und Gloria verschwand in der Küche.
"Ich habe erst heute von Ihrem Unfall gehört", sagte Lou.
"Ich habe es nicht allen Freunden erzählt", sagte Paul grinsend.
"Hatten die Lucia-Leute da die Finger drin?" fragte Lou. "War es Vinnie Dominick?"
"Nein, nein!" wehrte Paul ab. "Es war ein Unfall. Ich mußte den Wagen mit Starthilfe anlassen, und da ist die Batterie hochgegangen. Dabei habe ich eine Ladung Säure ins Gesicht gekriegt."
"Jetzt kommen Sie aber, Paul", grollte Lou. "Ich mache den weiten Weg, um Ihnen mein Mitgefühl auszudrücken. Da ist doch das mindeste, was Sie tun können, mir die Wahrheit zu erzählen. Ich weiß bereits, daß man Ihnen die Säure ins Gesicht geschüttet hat. Es ist nur die Frage, wer dahintersteckt."
"Woher wollen Sie das wissen?" fragte Cerino.
"Ich habe es brühwarm von jemand, der es weiß", erwiderte Lou. "Es stammt letztlich aus einer absolut zuverlässigen Quelle. Von Ihnen!"
"Von mir?" fragte Paul, ehrlich überrascht.
Gloria kam mit einem Espresso für Lou zurück. Er nahm sich etwas Zucker. Sie zog sich sofort wieder zurück. Die Jungens folgten ihr.
"Da haben Sie mich aber neugierig gemacht", sagte Paul. "Erklären Sie mir doch mal, wieso ich die Quelle dieses Gerüchts über meine Augen war."
"Sie haben es Ihrem Arzt erzählt, Jordan Scheffield", erklärte Lou. "Er hat es Laurie Montgomery, einer Gerichtspathologin, erzählt, und die hat es mir gesagt. Und mit der Pathologin habe ich gesprochen, weil ich ihr bei ein paar Obduktionen von Mordopfern zugesehen habe. Die Namen sind Ihnen vielleicht bekannt: Frankie DePasquale und Bruno Marchese."
"Noch nie gehört", sagte Paul.
"Es sind Lucia-Leute", erklärte Lou. "Und einer von ihnen hatte seltsamerweise an einem Auge Verätzungen durch Säure."
"Wie furchtbar", sagte Paul. "Die Batterien sind offenbar auch nicht mehr das, was sie mal waren."
"Sie bleiben also dabei, Sie hätten Batteriesäure in die Augen bekommen?" fragte Lou.
"Selbstverständlich", bekräftigte Paul. "Denn so ist es passiert."
"Wie gehts denn den Augen?"
"Ganz gut, wenn man bedenkt, was alles hätte passieren können. Doch der Arzt meint, es wird wieder, sobald ich operiert bin. Ich muß noch ein bißchen warten, aber ich bin sicher, Sie wissen das."
"Wovon sprechen Sie?" sagte Lou. "Von
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