Montgomery u Stapleton 01 - Blind
Bingham. "Aber sind Sie sich wegen dieser vermeintlichen Verunreinigung sicher? Was sagt denn John dazu?"
"Er prüft noch", sagte Laurie.
"Er hat noch gar nichts gefunden?"
"Noch nicht", räumte Laurie ein. "Aber er hat bis jetzt erst die Dünnschichtchromatographie eingesetzt."
"Dann werden wir wohl abwarten müssen", sagte Bingham. Er erhob sich.
Laurie blieb sitzen. Nachdem sie so weit gekommen war, war sie nicht bereit, schon aufzugeben. "Ich habe mir gedacht, daß wir vielleicht eine Erklärung an die Presse geben sollten", sagte sie. "Wir könnten eine Warnung aussprechen."
"Ausgeschlossen", lehnte Bingham ab. "Ich habe nicht vor, den guten Ruf des Instituts wegen einer Vermutung aufs Spiel zu setzen, die sich auf drei Fälle stützt. Kommen Sie nicht ein bißchen früh zu mir? Warum warten Sie nicht ab, was John herausfindet? Außerdem wäre es bei einer solchen Erklärung notwendig, Namen zu nennen, und der Andrews-Clan würde mir augenblicklich den Bürgermeister auf den Hals hetzen."
"Es war nur ein Vorschlag", sagte Laurie.
"Danke, Doktor", sagte Bingham. "Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich bin schon viel zu spät."
Laurie war gekränkt, daß Bingham ihrem Vorschlag nicht mehr Beachtung schenkte, aber ohne schlüssigere Beweise konnte sie die Sache kaum vorantreiben. Sie hatte nur den einen Wunsch, etwas unternehmen zu können, bevor sie noch mehr Fälle der gleichen Art auf den Tisch bekam.
Da kam ihr eine Idee. Zu ihrer gerichtsmedizinischen Ausbildung in Miami hatte auch die direkte Ermittlung vor Ort gehört. Wenn sie einige zukünftige Schauplätze aufsuchte, ergab sich vielleicht ein entscheidender Hinweis.
Laurie begab sich zur gerichtsmedizinischen Ermittlungsabteilung, wo sie deren Chef, Bart Arnold, an seinem Schreibtisch antraf. Zwischen zwei seiner zahllosen Telefonate erklärte sie ihm, daß sie benachrichtigt zu werden wünsche, wenn weitere Fälle von Überdosis eingingen, die denen glichen, die sie zuletzt gehabt hatte. Sie trat sehr bestimmt auf. Bart versicherte ihr, daß er es den anderen sagen werde.
Laurie war schon auf dem Weg zurück in ihr Zimmer, als ihr einfiel, daß sie auch darum ersuchen sollte, ihr die Autopsien aller ähnlichen Fälle von Überdosis zuzuteilen. Das hieß Dr. Washington aufsuchen.
"Ich habe immer ein ungutes Gefühl, wenn jemand von der Front mich sprechen will", sagte Calvin, als Laurie den Kopf in sein Zimmer steckte. "Worum geht es, Dr. Montgomery? Hoffentlich nicht um Ihren Urlaubstermin. Angesichts der gegenwärtigen Leichenschwemme haben wir beschlossen, in diesem Jahr keinen Urlaub mehr zu genehmigen."
"Urlaub! Schön wärs!" erwiderte Laurie lächelnd. Trotz seiner schroffen Art mochte und schätzte sie Calvin. "Ich wollte mich bedanken, daß Sie mir heute morgen die beiden Überdosen zugeteilt haben."
Calvin hob eine Augenbraue. "Das ist neu. Bisher hat mir noch nie jemand dafür gedankt, daß ich ihm einen Fall zugeteilt habe. Wieso habe ich das Gefühl, daß hinter diesem Besuch noch was anderes steckt?"
"Weil Sie von Natur aus argwöhnisch sind", sagte Laurie lächelnd. "Ich finde die Fälle wirklich interessant. Mehr als interessant sogar. Und ich möchte darum bitten, daß alle ähnlichen Fälle, die reinkommen, mir zugeteilt werden."
"Sie schmachtet nach Arbeit!" staunte Calvin. "Da wird einem armen Verwaltungsmenschen richtig warm ums Herz. In Ordnung. Sie können alles haben, was Sie wollen. Aber damit ich keinen Fehler mache, was verstehen Sie unter ähnlich? Wenn Sie alle Überdosen übernehmen wollten, wären Sie rund um die Uhr hier."
"Fälle von Überdosis oder Toxizität aus dem gehobenen Milieu", erklärte Laurie. "So wie die beiden, die Sie mir heute morgen gegeben haben. Leute in den Zwanzigern oder Dreißigern, gute Ausbildung und in guter körperlicher Verfassung."
"Ich werde mich persönlich darum kümmern, daß Sie sie alle bekommen", sagte Calvin freundlich. "Aber eins möchte ich gleich klarstellen. Wenn Sie mit Überstunden kommen, ich zahle nicht."
"Ich hoffe, es wird keine Überstunden geben", sagte Laurie.
Sie verabschiedete sich von Calvin, ging in ihr Zimmer zurück, und machte sich an die Arbeit. Die erfreuliche Unterredung mit Dr. Washington hatte die mit Bingham wettgemacht, und mit diesem bißchen Seelenfrieden war sie in der Lage, sich zu konzentrieren. Sie erledigte mehr Arbeit, als sie erwartet hatte, und schloß mehrere Fälle ab, einschließlich der meisten Autopsien vom Wochenende. Sie
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