Montgomery u Stapleton 01 - Blind
Platz.
"Was soll ich meiner Frau jetzt sagen?" tobte Vinnie. "Was soll ich meiner Frau sagen?" wiederholte er noch lauter. "Ich habe ihr versprochen, mich darum zu kümmern." Wieder schlug er gegen einen der Spinde. Schweiß lief ihm über das Gesicht.
"Sag ihr, daß es falsch war, Cerino zu trauen", riet Franco.
Vinnie blieb stehen. "Ich dachte, Cerino wäre ein zivilisierter Mensch", stieß er wütend hervor. "Aber jetzt weiß ich es besser."
"Das ist noch nicht alles", sagte Franco. "Cerinos Männer haben außer Jimmy Lanso auch noch ein paar andere Leute umgelegt. Letzte Nacht zwei in Kew Gardens und zwei in Forest Hills."
"Ich hab das in den Nachrichten gesehen." Vinnie war verblüfft.
"Das waren Cerinos Leute?"
"Genau", bestätigte Franco.
"Warum?" fragte Vinnie. "Von den Namen habe ich keinen einzigen gekannt."
"Das weiß kein Mensch." Franco zuckte die Schultern.
"Irgendeinen Grund muß es doch geben."
"Ganz bestimmt", sagte Franco. "Aber ich weiß nicht, was da läuft."
"Finde es raus!" befahl Vinnie. "Mit Cerino und seinen Gaunern geschäftlich rivalisieren, ist eine Sache, wenn die uns jetzt aber alles ruinieren, ist das was ganz anderes. Wir werden nicht hier rumsitzen und zusehen."
"In Queens laufen überall die Bullen rum", sagte Franco.
"Und genau das können wir nicht gebrauchen", sagte Vinnie.
"Wenn die Behörden mobil machen, müssen wir einen großen Teil unserer Operationen aufschieben. Du mußt rausfinden, was Cerino vorhat. Ich verlaß mich auf dich, Franco."
Franco nickte. "Ich tu mein Bestes."
"Sie essen nicht sehr viel", sagte Jordan.
Laurie blickte von ihrem Teller auf. Sie aßen in einem Restaurant, das sich Palio nannte. Die Küche war italienisch, die Inneneinrichtung ein angenehmes Gemisch aus Orientalisch und Modern. Vor ihr stand ein köstliches Reisgericht mit Meeresfrüchten. In ihrem Glas hatte sie einen spritzigen Pinot Grigio. Doch Jordan hatte recht; sie aß kaum etwas. Obwohl sie tagsüber nicht viel gegessen hatte, war sie einfach nicht hungrig.
"Schmeckt es Ihnen nicht?" fragte Jordan. "Sie haben doch gesagt, daß Sie italienische Küche mögen." Er war so lässig elegant gekleidet wie immer; er trug einen schwarzen Samtblazer und ein Seidenhemd, das am Hals offen war. Keine Krawatte.
Die Abstimmung hatte an diesem Abend wesentlich besser geklappt. Wie versprochen, hatte Jordan kurz vor neun angerufen, als er mit dem Operieren fertig war, um ihr mitzuteilen, daß Thomas auf dem Weg zu ihr sei und er nur schnell in seine Wohnung gehen und sich umziehen wolle. Als Thomas und Laurie beim Trump Tower vorfuhren, wartete Jordan bereits am Straßenrand. Von dort war es nur ein kurzes Stück zur West 51st Street gewesen.
"Es schmeckt mir ausgezeichnet", erwiderte Laurie. "Ich glaube, ich habe einfach keinen großen Appetit. Es war ein langer Tag."
"Ich habe absichtlich nicht vom heutigen Tag geredet", sagte Jordan. "Ich dachte, es wäre am besten, sich erst mal einen Schluck Wein zu genehmigen. Wie ich schon am Telefon erwähnt habe, war mein Tag grauenhaft. Das ist das einzige Wort dafür. Seit Ihrem Anruf wegen der bedauernswerten Marsha Schulman. Jedesmal wenn ich an sie denke, wird mir ganz anders. Ich habe sogar Schuldgefühle wegen meines Unmuts, weil sie nicht zur Arbeit gekommen war, und dabei trieb sie ohne Kopf im East River. Mein Gott!" Jordan konnte nicht weitersprechen. Er vergrub das Gesicht in den Händen und schüttelte langsam den Kopf. Laurie griff über den Tisch und legte die Hand auf seinen Arm. Sie empfand mit ihm, registrierte diese Gefühlsaufwallung aber auch mit Erleichterung. Bis zu diesem Augenblick hatte sie das Gefühl gehabt, er wäre einer solchen Regung unfähig und ziemlich unberührt vom Mord an seiner Sekretärin. Er kam ihr plötzlich sehr viel menschlicher vor.
Jordan riß sich zusammen. "Aber das ist noch nicht alles", fuhr er betrübt fort. "Ich habe heute eine Patientin verloren. Mit ein Grund dafür, daß ich mich für die Ophthalmologie entschieden habe, war, daß ich wußte, wie schwer mir der Umgang mit dem Tod fällt, aber ich wollte operieren. Die Ophthalmologie schien ein idealer Kompromiß zu sein, bis heute. Ich habe eine Patientin verloren, die kurz vor der Operation stand, Mary OConnor."
"Das tut mir leid", sagte Laurie. "Ich weiß, wie Ihnen zumute ist. Mir ist es auch immer schwergefallen, mit sterbenden Patienten umzugehen. Ich nehme an, das ist einer der Gründe, weshalb ich mich für die Pathologie
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