Montgomery u Stapleton 01 - Blind
trinken anbieten?"
Lou bat um ein Glas Wasser. "Sie wissen ja, im Dienst", murmelte er erklärend. Gloria füllte ihm ein Glas an der Bar im Wohnzimmer. Sich selbst mixte sie einen Wodka mit Limonensaft.
"Es tut mir leid, was Ihrem Mann zugestoßen ist", sagte Lou. Es war seine Standardeinleitung bei derartigen Gelegenheiten.
"Das konnte nur ihm passieren", erregte sich Gloria. "Wieder und wieder habe ich ihm gesagt, er solle nicht so lange aufbleiben und fernsehen. Und jetzt läßt er sich auch noch erschießen. Ich habe keine Ahnung, wie man ein Geschäft führt. Ich bin sicher, die Leute werden mich ausnehmen wie eine Gans."
"Kennen Sie irgend jemanden, der Ihrem Mann den Tod gewünscht haben könnte?" fragte Lou.
"Ich habe das alles schon mit den anderen Beamten besprochen. Müssen wir das noch mal durchgehen?"
"Vielleicht nicht", sagte Lou. "Lassen Sie mich ganz offen sein, Mrs. Vivonetto. Die Art, wie Ihr Mann umgebracht wurde, legt den Verdacht einer Verbindung zum organisierten Verbrechen nahe. Wissen Sie, was ich meine?"
"Sie meinen die Mafia?"
"Nun ja, das organisierte Verbrechen ist nicht nur die Mafia", erklärte Lou. "Aber es geht in die Richtung. Können Sie sich irgendeinen Grund vorstellen, warum solche Leute Ihren Mann umbringen wollten?"
"Ha!" lachte Gloria. "Mein Mann hat nie mit etwas so Interessantem wie der Mafia zu tun gehabt."
"Was war mit seinem Geschäft?" hakte Lou nach. "Hatte Pasta Pronto irgendeine Verbindung zum organisierten Verbrechen?"
"Nein", antwortete Gloria.
"Sind Sie sicher?"
"Nun, ganz sicher natürlich nicht. Ich hatte nichts mit dem Geschäft zu tun. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß er jemals was mit der Mafia hatte. Außerdem war mein Mann nicht gesund. Er hätte es ohnehin nicht mehr lange gemacht. Wer ihn aus dem Weg hätte räumen wollen, hätte warten können, bis er von selbst abgekratzt wäre."
"Welche Krankheit hatte Ihr Mann?" fragte Lou.
"Welche Krankheit hatte er nicht?" erwiderte sie. "Alles fiel auseinander. Er hatte Schwierigkeiten mit dem Herzen und schon zwei Bypassoperationen hinter sich. Seine Nieren waren auch nicht besonders. Sie wollten ihm die Gallenblase rausnehmen, haben es aber immer wieder aufgeschoben und gesagt, sein Herz würde das nicht aushalten. Am Auge sollte er operiert werden. Und seine Prostata war hinüber. Ich weiß nicht, was da nicht stimmte, aber seine ganze untere Hälfte funktionierte nicht mehr. Schon seit Jahren."
"Das tut mir leid", sagte Lou, der nicht wußte, was er sonst hätte sagen sollen. "Ich nehme an, er hat viel durchgemacht."
Gloria zuckte die Schultern. "Er hat nie auf sich geachtet. Er hatte Übergewicht, trank Unmengen und rauchte wie ein Schlot. Die Ärzte haben mir gesagt, er würde es vielleicht kein Jahr mehr machen, wenn er sich nicht umstellt, aber das hatte er ganz bestimmt nicht vor."
Lou kam zu dem Schluß, daß er von dieser lustigen Witwe nicht sehr viel erfahren würde. "Ja, dann", sagte er und erhob sich, "danke für Ihre Zeit, Mrs. Vivonetto. Falls Ihnen irgend etwas einfällt, das Ihrer Meinung nach wichtig sein könnte, rufen Sie mich bitte an." Er gab ihr seine Karte.
Als nächstes fuhr Lou zur Wohnung der Singletons.
Mr. Chester Singleton öffnete die Tür. Er war ein großgewachsener Mann mittleren Alters mit einer Dreiviertelglatze und Hängebacken. Seine Augen waren rot und geädert. Lou wußte in dem Augenblick, in dem er ihn sah, daß der Mann in echter Trauer war.
"Detective Soldano?"
Lou nickte und wurde sofort hineingebeten.
Das Haus war einfach, aber solide eingerichtet. Über die Rückenlehne einer karierten, abgenutzten Couch war eine Häkeldecke gelegt. Dutzende gerahmter Fotos bedeckten die Wände, die meisten in Schwarzweiß.
"Das mit Ihrer Frau tut mir sehr leid", sagte Lou.
Chester nickte, atmete tief ein und biß sich auf die Unterlippe.
"Ich weiß, daß schon andere Kollegen hier waren", fuhr Lou fort. Er hatte vor, sofort zur Sache zu kommen. "Ich möchte Sie ohne Umschweife fragen, warum ein professioneller Killer in Ihr Haus kommt und Ihre Frau erschießt."
"Ich weiß es nicht", antwortete Chester. Seine Stimme zitterte vor Erregung.
"Ihr Lieferservice hat auch einige Restaurants beliefert, die mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen. Hat sich irgendeines der Restaurants, die Sie beliefern, über Ihren Service beklagt?"
"Kein einziges", sagte Chester. "Und ich weiß auch nichts von organisiertem Verbrechen. Natürlich habe ich
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