Montgomery u Stapleton 01 - Blind
oder?"
"Sie sind bei Southgate und Besserman in guten Händen", sagte Laurie.
Lou drehte den Hut in den Händen. Plötzlich hatte Laurie wieder dieses Gefühl, das sie schon an früheren Tagen gehabt hatte. Lou schien schrecklich verlegen zu werden, als wollte er etwas sagen, brächte es aber nicht heraus.
"Ja, dann
Ich bin froh, daß ich Sie getroffen habe", sagte Lou, Lauries Blick ausweichend. "Also
bis später dann. Wiedersehn." Lou drehte sich um und ging ins Polizeibüro.
Einen Augenblick verfolgte Laurie Lous müde, schwerfällige Schritte, und erneut rührte sie das Gefühl der Einsamkeit dieses Mannes an. Sie fragte sich, ob er sie wieder zum Essen hatte einladen wollen.
Einen Augenblick wußte Laurie nicht, wohin sie hatte gehen wollen. Doch ihr Zorn kehrte in dem Moment zurück, als sie sich an Dr. Washingtons Versuch erinnerte, sie von ihrer Fallserie abzubringen. Mit erneuter Entschlossenheit begab sie sich zu seinem Büro und klopfte an die offene Tür. Sie stand vor ihm, bevor er auch nur ein Wort sagen konnte.
Calvin saß hinter einem Berg von Schriftstücken. Er blickte über den Rand seiner metallgefaßten Lesebrille, die sich auf seinem breiten Gesicht winzig ausnahm. Er war offenbar nicht begeistert, Laurie zu sehen. "Was gibt es, Montgomery?"
"Letzte Nacht hat es zwei weitere ähnliche Fälle gegeben wie die, an denen ich interessiert bin", begann Laurie.
"Sie sagen mir nichts, was ich nicht schon wüßte", unterbrach er sie.
"Ich weiß, ich habe heute meinen Schreibtag, aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich die Autopsien machen ließen. Irgend etwas sagt mir, daß diese Fälle zusammenhängen. Wenn ich sie alle bekomme, entdecke ich vielleicht irgendwelche Verbindungen."
"Wir haben schon am Telefon darüber gesprochen", sagte Calvin. "Ich habe Ihnen gesagt, daß ich das Gefühl habe, Sie lassen sich fortreißen. Sie sind nicht mehr objektiv."
"Bitte, Dr. Washington", sagte Laurie, obwohl sie es haßte zu bitten.
"Nein, verdammt noch mal!" Calvin schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Er erhob sich. "George Fontworth macht die Überdosisfälle, und ich möchte, daß Sie sich an Ihre Arbeit halten. Sie haben einige Ihrer Fälle noch nicht abgeschlossen. Das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Ich kann solchen Ärger jetzt nicht gebrauchen. Nicht bei dem Druck, unter dem wir gerade stehen."
Laurie nickte, dann verließ sie das Büro. Wäre sie nicht so wütend gewesen, hätte sie wahrscheinlich geheult. Sie ging direkt weiter zu Bingham.
Diesmal wartete sie, bis sie hereingerufen wurde. Bingham telefonierte noch, doch er winkte ihr, näher zu treten.
Laurie hatte den Eindruck, daß Bingham mit jemandem im Rathaus sprach, er sagte immer wieder: "Ja", "Sicher" und "Selbstverständlich".
Als er schließlich auflegte und Laurie ansah, wußte sie, daß er wütend war. Der Zeitpunkt ihres Besuchs war nicht günstig. Aber nun konnte sie nicht zurück.
"Ich werde bewußt davon abgehalten, mich weiter um diese Überdosisfälle zu kümmern", begann sie. Sie versuchte, beherrscht zu klingen, doch ihre Stimme war emotionsgeladen. "Dr. Washington hat veranlaßt, daß ich letzte Nacht an keinen der Tatorte gerufen wurde. Er weist mir nicht die entsprechenden Autopsien zu. Ich glaube nicht, daß es im Interesse des Instituts ist, mich von diesen Fällen auszuschließen."
Bingham führte die Hände ans Gesicht und rieb sich die Augen. Als er wieder zu Laurie aufsah, waren seine Augen gerötet. "Wir werden in der Presse verstärkt angegriffen, einen Mordfall im Central Park mangelhaft abgewickelt zu haben; wir haben eine Welle brutaler professioneller Morde, die den Gipfel des allnächtlichen New Yorker Chaos darstellen; und jetzt kommen Sie noch und machen Ärger. Ich kann es nicht fassen, Dr. Montgomery. Wirklich, ich kann es nicht fassen."
"Ich möchte, daß man mir erlaubt, diese Fälle weiter zu bearbeiten", sagte Laurie. "Inzwischen sind es mindestens vierzehn. Irgend jemand muß den Überblick behalten. Ich meine, daß ich das kann. Ich bin überzeugt, daß wir es mit einer weitgestreuten Serie von Unglücksfällen zu tun haben. Wenn es eine Verunreinigung gibt, und ich bin überzeugt, daß es sie gibt, müssen wir die Öffentlichkeit warnen!"
Bingham blickte zur Decke, hob die Hände und sagte leise vor sich hin: "Sie ist seit etwa fünf Monaten hier und will mir sagen, wie das Institut zu leiten ist." Er schüttelte den Kopf. Dann richtete er seine Augen wieder auf
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