Montgomery u Stapleton 01 - Blind
Laurie. Diesmal sprach er um einiges schärfer.
"Calvin ist ein fähiger Verwaltungsmann. Das heißt, er ist mehr als fähig, er ist hervorragend. Was er sagt, gilt. Haben Sie verstanden? Das wars; das Thema ist erledigt." Damit wandte er sich dem Stoß Briefe zu, die sich in seinem Eingangskorb stapelten.
Laurie ging sofort weiter zum Labor. Sie hielt es für das beste, in Bewegung zu bleiben, sonst würde sie vielleicht etwas Übereiltes tun, das sie später bereuen müßte. Sie suchte Peter Letterman, lief jedoch John DeVries in die Arme. "Vielen Dank, daß Sie beim Chef ein gutes Wort für mich eingelegt haben", sagte sie sarkastisch. In ihrem Zorn war sie nicht imstande, sich zu bremsen.
"Ich mag nicht, wenn man mich drängelt", erwiderte John. "Ich habe Sie gewarnt."
"Ich habe Sie nicht gedrängelt", gab Laurie zurück. "Ich habe Sie lediglich gebeten, Ihre Arbeit zu tun. Haben Sie eine Verunreinigung gefunden?"
"Nein", sagte John. Er schob sich an ihr vorbei, ohne sie einer weiteren Antwort zu würdigen.
Laurie schüttelte den Kopf. Sie fragte sich, ob ihre Tage im Gerichtsmedizinischen Institut für New York City gezählt waren. Sie entdeckte Peter in einer Ecke des Labors, wo er am größten und neuesten Gaschromatographen saß.
"Sie gehen John am besten aus dem Weg", riet er. "Mir blieb nichts anderes übrig, als das mit anzuhören."
"Glauben Sie mir, ich wollte nicht zu ihm", sagte Laurie.
"Ich habe auch keine Verunreinigung gefunden", erklärte Peter. "Aber ich habe Proben mit diesem Gaschromatographen untersucht. Er hat eine sogenannte Falle. Falls wir etwas entdecken, dann mit dem Ding hier."
"Bleiben Sie dran", sagte Laurie. "Wir sind inzwischen bei vierzehn Fällen."
"Ich habe etwas rausgefunden", sagte Peter. "Wie Sie wissen, hydrolysiert Kokain zu Benzoylekgonin, Ekgoninmethylester und Ekgonin."
"Ja", sagte Laurie. "Und weiter?"
"Jeder Posten Kokain, der hergestellt wird, weist ganz spezifische Prozentwerte dieser Hydrolysate auf", erklärte Peter.
"Wenn man also die Zusammensetzung untersucht, kann man eine ziemlich genaue Aussage über die Herkunft der Proben machen."
"Und?"
"Sämtliche Proben, die ich aus den Spritzen entnommen habe, weisen die gleichen Prozentwerte auf. Das heißt, das Kokain stammt aus ein und demselben Posten."
"Also aus der gleichen Quelle", ergänzte Laurie.
"Genau."
"Das habe ich vermutet", sagte Laurie. "Schön, daß es dokumentiert worden ist."
"Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn ich mit diesem Gerät irgendeine Verunreinigung finde."
"Bitte, tun Sie das. Wenn ich den Beweis für eine Verunreinigung hätte, würde Dr. Bingham sicher eine Erklärung veröffentlichen." Doch als Laurie zu ihrem Zimmer ging, fragte sie sich, ob sie überhaupt bei irgend etwas sicher sein konnte.
"Laß meinen Arm los!" schnauzte Cerino. Angelo hatte ihn durch die Tür in Jordan Scheffields Praxis führen wollen. "Ich kann mehr sehen, als du denkst." Cerino hatte seinen Stock mit der roten Spitze bei sich, benutzte ihn jedoch nicht. Tony trat als letzter ein und zog die Tür zu.
Eine von Jordans Sprechstundenhilfen führte die Gruppe durch den Gang in ein Behandlungszimmer und sorgte dafür, daß Cerino bequem in einem der Untersuchungsstühle saß.
Wenn Cerino zu Jordan in die Praxis kam, nahm er nicht den normalen Eingang; das Wartezimmer umging er ohnehin. Das war der übliche Weg für alle VIP-Patienten Jordans.
"O Gott!" rief die Sprechstundenhilfe, als sie Tonys Gesicht sah. Vom linken Ohr lief eine tiefe Rißwunde bis zum Mundwinkel.
"Das ist aber eine häßliche Wunde. Wie ist das denn passiert?"
"Eine Katze", sagte Tony und hielt verlegen eine Hand vor das Gesicht.
"Hoffentlich haben Sie eine Tetanusspritze bekommen. Sollen wir Ihnen die Wunde auswaschen?"
"Nein, danke", wehrte Tony ab, dem diese Fürsorge im Beisein von Cerino peinlich war.
"Lassen Sie mich wissen, wenn Sie Ihre Meinung ändern", sagte die Sprechstundenhilfe und ging zur Tür.
"Gib mir Feuer", sagte Cerino, als sie den Raum verlassen hatte. Angelo zündete Paul die Zigarette an, dann nahm er sich selbst eine.
Tony entdeckte etwas abseits einen Sessel und setzte sich. Angelo blieb links hinter Cerino stehen. Beide, er und Tony, waren erschöpft, da sie wegen Cerinos unerwartetem Besuch beim Arzt aus dem Bett geholt worden waren. Beide litten auch noch unter den Nachwirkungen ihrer Erlebnisse bei den beiden letzten Unternehmungen, vor allem Angelo.
"Da sind wir wieder in
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