Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
gedämpfte Stimmen; ein paar Sekunden später wurde die Tür bis zum Anschlag der Kette geöffnet, und er blickte in zwei Gesichter. Das eine gehörte einer Frau mittleren Alters, die ohne Unterlaß hustete. Sie hatte zerzaustes blondiertes Haar und trug einen Frotteebademantel. Ihre Lippen schimmerten leicht bläulich. Etwas tiefer blickte ihm ein neun- oder zehnjähriges Kind entgegen. Jack war sich nicht sicher, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Es hatte schulterlanges, pechschwarzes Haar, das nach hinten gekämmt war. »Mrs. Hernandez?« fragte er.
Nachdem er seine Dienstmarke gezeigt und der Frau erklärt hatte, daß er soeben mit Kathy McBane gesprochen habe und direkt aus dem Manhattan General komme, öffnete Mrs. Hernandez die Tür und bat ihn herein.
Die Wohnung war klein und stickig, doch es war zu erkennen, daß jemand sich Mühe gegeben hatte, die Atmosphäre mit hellen Farben und ein paar Postern spanischer Filme ein wenig aufzuheitern. Gloria zog sich sofort auf das Sofa zurück, wo sie offensichtlich gelegen hatte, bevor Jack aufgekreuzt war. Sie hüllte sich bis unter das Kinn in eine Decke und zitterte unentwegt. »Es tut mir leid, daß es Ihnen so schlecht geht«, begann Jack. »Ich fühle mich sehr elend«, brachte sie mühsam hervor. Jack war erleichtert, daß sie englisch sprach. Sein Spanisch war ziemlich schlecht.
»Ich möchte Sie auf keinen Fall belästigen«, sagte er. »Aber Sie wissen ja, daß vor kurzem einige von Ihren Kolleginnen aus dem Zentralmagazin sehr schwer erkrankt sind.« Gloria riß die Augen auf. »Ich habe doch nur eine Grippe, oder etwa nicht?« fragte sie bestürzt.
»Ja«, versuchte Jack sie zu beruhigen. »Davon gehe ich aus. Katherine Mueller, Maria Lopez, Carmen Chavez und Imogene Philbertson hatten andere Krankheiten als Sie. Da können Sie sicher sein.«
»Gott sei Dank.« Gloria bekreuzigte sich. »Mögen ihre Seelen in Frieden ruhen.«
»Mich interessiert im Moment etwas ganz anderes«, fuhr Jack fort. »Gestern abend wurde auf der Orthopädischen Station ein Patient namens Kevin Carpenter behandelt. Er hat unter ähnlichen Symptomen gelitten wir Sie. Sagt Ihnen dieser Name irgend etwas? Oder sind Sie womöglich mit ihm in Berührung gekommen?«
»Nein«, erwiderte Gloria. »Ich arbeite doch im Zentralmagazin.«
»Das ist mir schon klar. Aber die anderen unglücklichen Frauen, von denen ich eben gesprochen habe, haben ebenfalls im Zentralmagazin gearbeitet. Und jedesmal, bevor eine von ihnen an einer dieser seltenen Krankheiten gestorben ist, hat ein Patient dieselbe Krankheit gehabt. Es muß irgendeinen Zusammenhang zwischen diesen Krankheiten und dem Zentralmagazin geben, und ich hoffe, Sie können mir helfen, diese Verbindung aufzudecken.«
Gloria sah ihn verwirrt an und wandte sich an ihren Sohn, den sie mit Juan anredete und der nun in schnellem Spanisch auf sie einzureden begann. Jack vermutete, daß er ihr übersetzte, was er gerade gesagt hatte; sie schien nicht alles verstanden zu haben. Während Juan ihr erklärte, was Jack von ihr wollte, nickte Gloria mehrfach und bekräftigte mit einem Si, daß sie verstanden hatte. Doch als Juan fertig war, sah Gloria Jack an und schüttelte den Kopf. »Nein!« sagte sie entschieden. »Nein?« wiederholte Jack überrascht.
»Es gibt keinen Zusammenhang«, bekräftigte Gloria. »Wir haben keinen Kontakt zu den Patienten.«
»Sie gehen also nie auf die Stationen?«
»Nie.«
Jacks Hirn arbeitete auf Hochtouren. Was konnte er sie bloß noch fragen? »Haben Sie gestern abend irgend etwas erledigt, was Sie normalerweise nicht tun?« fragte er schließlich. Gloria zuckte mit den Schultern und verneinte auch diese Frage.
»Erinnern Sie sich noch daran, was Sie gestern abend alles gemacht haben?« insistierte Jack. »Beschreiben Sie mir doch einfach mal, wie Ihre letzte Schicht ausgesehen hat.« Als Gloria loslegen wollte, wurde sie plötzlich von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. Jack wollte ihr auf den Rücken klopfen, doch sie hob die Hand und gab ihm zu verstehen, daß es ihr schon wieder besser gehe. Juan holte ihr ein Glas Wasser, das sie gierig in sich hineinstürzte. Als sie wieder sprechen konnte, versuchte sie, ihm ihre letzte Schicht detailliert zu beschreiben, und bekräftigte, daß sie das Zentralmagazin während der ganzen Zeit nicht verlassen hatte.
Als ihm beim besten Willen keine weiteren Fragen mehr einfielen, fragte Jack, ob er sie anrufen dürfe, wenn er noch irgend etwas wissen
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