Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
ihm offenbar nicht bekommen. Er hatte sich dagegen gewehrt, Shawn auf das Polizeipräsidium zu begleiten, weil er befürchtete, festgenommen zu werden. Immerhin hatte er den Mord an Reginald nicht gemeldet, und er war in dem Drugstore gewesen, in dem Slam erschossen worden war. Und zu allem Überfluß hatte er Laurie gegenüber auch noch angedeutet, daß es zwischen den Morden an Reginald und Beth womöglich eine Verbindung gab.
Er seufzte und strich sich besorgt durchs Haar. Was sollte er bloß auf die Fragen antworten, mit denen man ihn unweigerlich bombardieren würde?
»Sind Sie okay?« fragte Shawn und sah Jack von der Seite an. »Es könnte mir nicht besser gehen«, erwiderte Jack. »Ich hatte einen wunderbaren Abend. In New York wird es einem nie langweilig.«
»Finde ich gut, daß Sie die Sache nicht so verbissen sehen«, meinte Shawn.
Jack sah den Polizisten entgeistert an; der Mann schien seinen Zynismus nicht verstanden zu haben.
»Mir gehen jede Menge Fragen durch den Kopf«, sagte Jack. »Wieso, zum Teufel, waren Sie eigentlich in dem Restaurant? Und woher wissen Sie, daß ich Arzt bin? Und wieso soll ich mich bei Lou Soldano dafür bedanken, daß ich noch lebe?«
»Lieutenant Soldano hat einen Hinweis bekommen, daß Sie in Gefahr sein könnten«, erwiderte Shawn. »Und woher wußten Sie, daß ich in dem Restaurant war?«
»Ganz einfach. Sergeant Murphy und ich sind Ihnen gefolgt.« Jack starrte wieder hinaus auf die vorbeirauschende nächtliche Stadt und schüttelte gedankenverloren den Kopf. Wie peinlich, dachte er, dabei war er sich so sicher gewesen, daß er alle potentiellen Verfolger abgeschüttelt hatte. Er mußte sich wohl oder übel eingestehen, daß ihm die ganze Geschichte über den Kopf zu wachsen drohte.
»Bei Bloomingdale’s wären Sie uns um ein Haar entwischt«, sagte Shawn. »Aber zum Glück habe ich da schon geahnt, was Sie vorhatten.«
»Wissen Sie, wer Lieutenant Soldano den Hinweis gegeben hat?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Shawn. »Aber das können Sie den Lieutenant gleich selbst fragen.«
Als der FDR Drive in den South Street Viaduct überging, tauchte vor ihnen die vertraute Silhouette der Brooklyn Bridge auf; im fahlen Licht des nächtlichen Himmels sah sie aus wie eine riesige Lyra. Kurz vor der Brücke verließen sie die Schnellstraße, und wenig später bogen sie in den Hof des Polizeipräsidiums ein. Jack hatte das Gebäude noch nie zuvor gesehen und war überrascht, wie modern es war. Drinnen mußte er einen Metalldetektor passieren. Shawn führte ihn zu Lou Soldanos Büro und verabschiedete sich.
Lou stand auf, reichte Jack die Hand und zog einen Stuhl heran. »Setzen Sie sich, Doc. Das ist Sergeant Wilson«, sagte er und zeigte auf einen afroamerikanischen Polizisten in Uniform, der sich ebenfalls erhob, als er vorgestellt wurde. Er war eine imposante Erscheinung, seine Uniform war perfekt gebügelt. Sein makelloses Outfit stand in krassem Gegensatz zu Lous eher zerknittertem Äußeren.
Jack reichte Sergeant Wilson die Hand; es war ihm peinlich, daß er immer noch zitterte und seine Handfläche schweißnaß war. »Ich habe Sergeant Wilson hergebeten, weil er unsere Spezialeinheit für die Bekämpfung gewalttätiger Gangs leitet«, erklärte Lou, während er an seinen Schreibtisch zurückkehrte und Platz nahm.
Ist ja wunderbar, dachte Jack. Er wollte Warren auf keinen Fall in Schwierigkeiten bringen. Er versuchte zu lächeln, doch es wollte ihm nicht gelingen. Bestimmt merkten sie ihm seine Nervosität an. Wahrscheinlich hatten sie ihn schon als Straftäter entlarvt, als er nur das Büro betreten hatte.
»Wie ich gehört habe, hatten Sie heute abend eine eher unangenehme Begegnung«, begann Lou.
»Das ist vielleicht ein bißchen untertrieben«, erwiderte Jack und musterte Lou. Er sah anders aus, als er ihn sich vorgestellt hatte. Er hatte einen wesentlich attraktiveren Mann erwartet, größer und mehr auf sein Äußeres bedacht. Dieser Mann jedoch erinnerte ihn eher an sich selbst. Lou war kräftig, muskulös und hatte kurzgeschnittenes Haar; er war lediglich ein ganzes Stück kleiner.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Lou und machte eine einladende Handbewegung. »Wir haben Sie nicht zu einer Inquisition herbestellt. Wir wollen uns nur mit Ihnen unterhalten.«
»Warum haben Sie Officer Magoginal beauftragt, mir zu folgen? Nicht, daß ich mich darüber beklagen möchte. Er hat mir schließlich das Leben
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