Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
könnte klappen. Wo konnte er bloß ein Messer auftreiben? Jack blinzelte. Zusehends in Panik, tastete er das Nachtschränkchen nach einem Messer ab. Dann hielt er plötzlich inne. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Im Hintergrund vernahm er ein in gleichmäßigen Abständen wiederkehrendes Klappern, das er nicht einordnen konnte. Er hob seinen Arm, um zu inspizieren, wie weit sich der Ausschlag inzwischen ausgebreitet hatte, doch die roten Flecken waren verschwunden. Jetzt erst wurde ihm bewußt, daß er geträumt hatte. In dem Hotelzimmer mußte es über dreißig Grad heiß sein. Angewidert strampelte Jack die Bettlaken zur Seite. Er war in Schweiß gebadet. Mühsam richtete er sich auf und hockte sich auf die Bettkante. Jetzt erst registrierte er, daß das Klappern von einem Heizkörper kam, der zudem auch noch dampfte und zischte. Offensichtlich war diese Höllenmaschine dazu da, die Hotelgäste mit einer Art Holzhammermethode aus dem Bett zu treiben. Er ging zum Fenster und versuchte es zu öffnen, doch es ließ sich nicht bewegen. Vermutlich war es zugenagelt worden. Daraufhin wollte er die Heizung abstellen, doch sie war so heiß, daß er sie nicht berühren konnte. Er holte sich ein Handtuch aus dem Badezimmer und versuchte es erneut. Doch der Thermostat war voll aufgedreht und ließ sich nicht bewegen. Wenigstens schaffte er es, das Milchglasfenster im Bad zu öffnen. Er blieb für ein paar Minuten dort stehen und sog die frische Luft ein. Die kühlen Fliesen unter seinen Füßen taten ihm gut. Auf das Waschbecken gestützt, ließ er den Alptraum noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passieren. Er war ihm so erschreckend wirklich vorgekommen, daß er noch einmal seine Arme und seinen Bauch untersuchte, um sicherzugehen, daß er wirklich keinen Ausschlag hatte. Zum Glück konnte er nichts Außergewöhnliches entdecken. Allerdings hatte er starke Kopfschmerzen, die jedoch mit Sicherheit auf den überheizten, winzigen Raum zurückzuführen waren. Er wunderte sich, daß er nicht schon viel früher aufgewacht war.
Als er in den Spiegel sah, fiel ihm auf, wie rot seine Augen waren. Außerdem mußte er sich dringend rasieren. Da er nichts bei sich hatte, hoffte er in der Hotelhalle einen kleinen Laden zu finden, in dem er sich eine Klinge und Rasierschaum kaufen konnte.
Während er sich anzog, gingen ihm noch einmal die Ereignisse des vergangenen Abends durch den Kopf. Vor seinem geistigen Auge erschien mit einer solch erschreckenden Deutlichkeit die auf ihn gerichtete Maschinenpistole, daß es ihm kalt den Rücken hinunterlief. Um ein Haar wäre er tot gewesen! Zum erstenmal dachte er darüber nach, ob seine depressive und lebensverneinende Reaktion nach dem Tod seiner Frau und seiner beiden Töchter womöglich unangemessen gewesen war. Hatte er durch seinen leichtsinnigen Lebenswandel vielleicht eine zu geringe Achtung vor dem Leben gezeigt und ihnen dadurch im nachhinein zu wenig Ehre erwiesen?
In der heruntergekommenen Hotelhalle erstand er einen Einwegrasierer und eine Minitube Zahnpasta, an der eine Zahnbürste befestigt war. Auf dem Weg zurück zum Fahrstuhl fiel sein Blick auf ein Bündel zusammengeschnürter Daily News, das vor einem noch geschlossenen Zeitungskiosk lag. Die schauerliche Schlagzeile lautete: »Leichenhallen-Doktor um ein Haar in einem In-Lokal über seinem Teller erschossen! Lesen Sie Seite 3.« Jack stellte seine Utensilien ab und versuchte, eine Zeitung aus dem Bündel zu ziehen. Doch die Schnur ließ sich nicht durchreißen; sie war einfach zu stabil. Da er unbedingt eine Zeitung haben wollte, überredete er den Nachtportier, hinter seinem Empfangsschalter hervorzukommen und die Schnur mit einer Rasierklinge durchzutrennen. Er bezahlte und beobachtete, wie der Portier das Geld in seiner Tasche verschwinden ließ. Auf dem Weg zum Fahrstuhl sah Jack mit Entsetzen, daß auf der dritten Seite ein Foto von ihm prangte; zusammen mit Shawn Magoginal, der ihn am Arm festhielt, verließ er gerade das Positano. Die Bildunterschrift lautete: »Dr. Jack Stapleton, Gerichtsmediziner in New York City, wird nach dem versuchten Mordanschlag von Detective Shawn Magoginal, einem Kriminalbeamten in Zivil, vom Tatort geführt. Ein Mitglied einer New Yorker Streetgang wurde während des Überfalls erschossen.«
Jack hatte den Artikel bereits gelesen, als er sein Zimmer erreichte. Die unmißverständliche Aussage lautete, daß er in einen Skandal verwickelt war. Wütend warf er die Zeitung in
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