Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
dem Weg ins Studio, wo Colleen ihrer Freundin und Vorgesetzten zeigen wollte, was das Creative Team bisher an Ideen für eine neue National-Health-Kampagne zustande gebracht hatte.
»Ich habe nicht den geringsten Zweifel«, erwiderte Terese. »Natürlich hat er sich nicht persönlich darum gekümmert. Er hat Helen darauf angesetzt.«
»Aber damit schießt er sich doch ins eigene Bein. Wenn wir die National Health verlieren, können wir die Umstrukturierung vergessen, und dann sind seine Arbeitnehmeranteile genausoviel wert wie unsere - nämlich nichts.«
»Zum Teufel mit seinen Arbeitnehmeranteilen!« fluchte Terese. »Er will President werden, und er wird alles daransetzen, dieses Ziel zu erreichen.«
»Oh, mein Gott«, stöhnte Colleen, »diese internen Querelen um die Vorherrschaft in der Firmenhierarchie kotzen mich an. Bist du wirklich sicher, daß du President werden willst?« Terese blieb stehen und sah Colleen an, als hätte sie eine Gotteslästerung der übelsten Sorte losgelassen. »Ich kann nicht fassen, was du da eben gesagt hast.«
»Aber du hast doch darüber geklagt, daß du dich kaum noch um die kreativen Aspekte unserer Arbeit kümmern kannst, seitdem du immer mehr administrative Aufgaben übernimmst.«
»Wenn Barker President wird, wird er den ganzen Laden ruinieren«, schnaubte Terese verächtlich. »Er wird vor den Kunden zu Kreuze kriechen, und dann geht es sowohl mit der Kreativität als auch mit der Qualität unserer Arbeit den Bach runter. Außerdem will ich President werden, und damit basta. Das ist seit fünf Jahren mein Ziel; dies ist meine Chance. Wenn ich es jetzt nicht schaffe, dann nie!«
»Warum begnügst du dich nicht mit dem, was du erreicht hast?« fragte Colleen. »Du bist gerade einunddreißig und schon Creative Director. Sei doch zufrieden, und widme dich den Dingen, die du am besten kannst: tolle Spots entwerfen.«
»Ach, hör doch auf! Du weißt genau, daß wir Werbeleute den Hals nie vollkriegen können. Wenn ich es tatsächlich schaffen sollte, President zu werden, würde ich wahrscheinlich schon bald nach dem Posten des Agenturchefs schielen.«
»Ich denke, du solltest die ganze Sache etwas ruhiger angehen«, entgegnete Colleen. »Sonst bist du ausgebrannt, bevor du auch nur fünfunddreißig bist.«
»Ich verspreche dir, ruhiger zu werden, sobald ich President bin.«
»Wer’s glaubt, wird selig«, erwiderte Colleen. Im Studio angekommen, führte sie Terese in einen kleinen, abgetrennten Raum, der liebevoll die ›Arena‹ genannt wurde. Hier wurden die neuen Spots zum erstenmal vorgeführt. Sie hatten den Raum in Anlehnung an die Arenen im antiken Rom getauft, wo die Christen den Löwen zum Fraß vorgeworfen worden waren. Bei Willow und Heath fiel es den niederen Creatives zu, die Rolle der Christen zu übernehmen.
»Hast du etwa einen fertigen Film?« fragte Terese. Vorn im Raum war über der Tafel eine Leinwand heruntergelassen. Terese hatte bestenfalls damit gerechnet, ein paar oberflächliche Storyboards begutachten zu können.
»Wir habe ein ›Ripomatic‹ zusammengestellt«, erklärte Colleen. Ein Ripomatic war eine grob zusammengeschnittene Mischung vorhandener Videoaufnahmen, die von anderen Projekten »gestohlen« wurden, um dem ganzen wenigstens den Touch eines Werbespots zu geben. »Ich warne dich«, fügte Colleen hinzu. »Das ist nur wild zusammengewürfeltes Rohmaterial.«
»Zeig her, was du hast.«
Colleen gab einer ihrer Untergebenen ein Zeichen. Das Licht ging aus, und der Videofilm lief ab. Er dauerte genau hundert Sekunden und zeigte ein niedliches, etwa vierjähriges Mädchen mit einer zerbrochenen Puppe. Terese erkannte das Filmmaterial sofort wieder. Es stammte aus einem Spot, den sie selbst vor einem Jahr für eine nationale Spielzeugkette kreiert hatte, die damit warb, daß sie den Kunden ihr kaputtes Spielzeug großzügig durch neues ersetzte. In Colleens ›Ripomatic‹ sah es so aus, als würde das Kind die zerbrochene Puppe zum Doktor in das neue Krankenhaus der National Health bringen. Der Slogan lautete: »Wir kurieren alles - rund um die Uhr.«
Als der Film zu Ende war, ging sofort das Licht an. Für ein paar Sekunden sagte niemand etwas. Schließlich brach Colleen das Schweigen. »Es gefällt dir nicht«, stellte sie fest. »Zu niedlich«, bemerkte Terese.
»Die Idee ist, daß die Puppe in unterschiedlichen Spots unterschiedliche Krankheiten und Verletzungen haben soll«, erklärte Colleen. »Natürlich soll das Kind in den
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