Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
war.
»Schließen Sie die Tür«, befahl Dr. Harold Bingham. Jack folgte der Anweisung. Binghams Büro war sehr geräumig; der stattliche Schreibtisch stand etwas zurückgesetzt unter einem hohen Fenster mit alten Jalousien. Am anderen Ende des Raumes befand sich ein Bibliothekstisch mit einem Lehrmikroskop. An der Wand stand ein Bücherschrank mit Glastüren. »Nehmen Sie Platz.« Jack folgte der Aufforderung.
»Ich bin mir nicht sicher, was ich von Ihnen halten soll.« Bingham hatte eine tiefe, heisere Stimme. »Sie haben heute erstklassige Arbeit geleistet und diese brillante Diagnose gestellt. Doch dann haben Sie nichts Besseres zu tun, als eigenmächtig die Gesundheitsbeauftragte anzurufen, meine Vorgesetzte also. Entweder sind Sie ein vollkommen apolitisches Wesen, oder Sie neigen zur Selbstzerstörung.«
»Wahrscheinlich eine Kombination von beidem«, entgegnete Jack.
»Dreist sind Sie also auch«, stellte Bingham fest. »Das ist ein Teil meiner selbstzerstörerischen Ader«, erklärte Jack und grinste. »Sie hat aber auch eine positive Seite: Ich bin ehrlich.« Bingham schüttelte den Kopf. Jack stellte seine Fähigkeit zur Selbstbeherrschung hart auf die Probe. »Nur damit ich Sie verstehe«, begann er von neuem und fuchtelte mit seinen schaufelgroßen Händen herum. »Ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, daß ich es als anmaßend empfinden könnte, wenn Sie meine Vorgesetzte anrufen, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben?«
»Chet McGovern hat versucht, mich davon abzuhalten«, gestand Jack. »Aber mir war es wichtig, die Nachricht so schnell wie möglich weiterzuleiten. Vorsicht ist besser als Nachsicht! Das gilt erst recht angesichts der potentiellen Gefahr einer Epidemie, mit der wir es zu tun haben.«
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Bingham dachte über Jacks Rechtfertigung nach und mußte sich eingestehen, daß sie durchaus stichhaltig war. »Die zweite Angelegenheit, die ich mit Ihnen besprechen muß, betrifft Ihren Besuch im Manhattan General Hospital. Offen gesagt, überrascht mich ihre Entscheidung, persönlich dort hinzugehen. Während Ihrer Orientierungsphase an unserem Institut hat man Ihnen doch beigebracht, daß wir uns bei den Ermittlungen vor Ort normalerweise auf unsere exzellenten Pathologie-Assistenten verlassen. Daran erinnern Sie sich doch, oder?«
»Natürlich. Aber ich dachte, das Auftreten von Pesterregern sei außergewöhnlich genug, um eine außergewöhnliche Vorgehensweise zu rechtfertigen. Ich muß allerdings auch gestehen, daß ich einfach neugierig war.«
»Neugierig!« Bingham verlor kurzfristig die Beherrschung. »Für die bewußte Mißachtung unserer etablierten Institutspolitik ist das die lahmste Ausrede, die ich in den letzten Jahren gehört habe!«
»Es kam noch etwas anderes hinzu«, erklärte Jack. »Da ich weiß, daß das Manhattan General ein AmeriCare-Krankenhaus ist, wollte ich ein bißchen auf dem Skandal herumreiten. Für AmeriCare hab’ ich nämlich nichts übrig.«
»Was, um Himmels willen, haben Sie denn gegen AmeriCare?«
»Ist eine persönliche Angelegenheit.«
»Wollen Sie das vielleicht ein bißchen näher ausführen?«
»Lieber nicht«, erwiderte Jack. »Es ist eine lange Geschichte.«
»Dann lassen Sie’s eben«, entgegnete Bingham verärgert. »Aber ich werde es nicht hinnehmen, daß Sie einfach ins Manhattan General marschieren und den Leuten da Ihre Gerichtsmediziner-Marke vor die Nase halten, um eine persönliche Rechnung zu begleichen. Das nenne ich schweren Mißbrauch Ihrer Amtsautorität.«
»Ich dachte, es sei ausdrücklich unser Auftrag, uns um alles zu kümmern, was die öffentliche Gesundheit beeinträchtigen könnte«, entgegnete Jack. »Und ein Fall von Pest fällt ja wohl unter diese Rubrik.«
»Da haben Sie recht«, sagte Bingham. »Aber Sie hatten die Gesundheitsbeauftragte doch bereits benachrichtigt. Und die wiederum hat das Gesundheitsamt alarmiert, welches sofort seinen leitenden Epidemiologen ins Manhattan General geschickt hat. Sie hatten dort nichts zu suchen, und erst recht hatten Sie keine Veranlassung, Ärger zu machen.«
»Wieso habe ich denn Ärger gemacht?«
»Sie haben sowohl den Krankenhauspräsidenten als auch den Epidemiologen vom Gesundheitsamt aufs äußerste verstimmt«, brüllte Bingham. »Der Präsident hat sich im Büro des Bürgermeisters über Sie beschwert, und der Epidemiologe hat die Gesundheitsbeauftragte angerufen. Diese Personen könnte man beide als meine Vorgesetzten
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