Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
Ruhe zu lassen. Schließlich hatte er nichts gegen Clint; vielmehr hatte er es auf Kelley abgesehen. Dann kam ihm eine Idee: Vielleicht war es ganz aufschlußreich, dem Labor einen Besuch abzustatten. Zwar hatte Dr. Zimmerman die Schuld des Krankenhauses eingestanden, doch im Labor mußte seine Nachricht einschlagen haben wie eine Bombe. Immerhin war es dort versäumt worden, die richtige Diagnose zu stellen.
Nachdem Jack in Erfahrung gebracht hatte, wo sich das Labor befand, fuhr er in die zweite Etage hinunter. Wieder wurde er sofort durchgelassen, als er seinen Gerichtsmediziner-Ausweis präsentierte. Dr. Martin Cheveau, der Leiter des Labors, bat ihn sofort in sein Büro. Er war ein ziemlich kleiner Mann mit vollem, dunklem Haar und einem schmalen, schnurgeraden Schnäuzer.
»Haben Sie von dem Pestfall gehört?« fragte Jack, als er Platz genommen hatte. »Nein, wo denn?«
»Hier, im Manhattan General Hospital«, erwiderte Jack. »Zimmer 707. Ich habe den Patienten heute morgen obduziert.«
»Das gibt’s doch nicht!« staunte Martin. »Wirft kein gutes Licht auf uns. Wie war sein Name?«
»Donald Nodelman.«
Martin seufzte laut und drehte sich mitsamt seinem Stuhl um, um seinen Computer zu starten. Auf dem Bildschirm erschienen sämtliche seit dessen Einweisung gespeicherten Laborergebnisse des Patienten Nodelman. Martin überflog die Einträge, bis er bei den mikrobiologischen Werten angelangt war. »Ich sehe, daß wir in der Gram-Färbung des Sputums gramnegative Bakterien gefunden haben«, erklärte er. »Die Anzucht der Bakterien hatte nach sechsunddreißig Stunden kein Ergebnis gebracht. Ich gebe zu, das hätte uns etwas sagen müssen, vor allem, wenn ich bedenke, daß Verdacht auf Pseudomonas bestand. Ich würde sagen, Pseudomonaden wären ohne Schwierigkeiten gewachsen, und zwar in weniger als sechsunddreißig Stunden.«
»Es wäre aufschlußreich gewesen, wenn Sie eine Giemsa- oder Wayson-Färbung vorgenommen hätten«, sagte Jack. »Dann hätten Sie die Diagnose gehabt.«
»Sie haben vollkommen recht«, erwiderte Martin und drehte sich zu Jack um. »Es ist furchtbar, und diese Geschichte ist mir außerordentlich peinlich. Leider haben wir es hier mit einem beispielhaften Vorfall zu tun, der bestimmt keine Ausnahme bleiben wird. Die Verwaltung hat uns gezwungen, unsere Kosten zu reduzieren und Personal abzubauen - und das, obwohl immer mehr Arbeit anfällt. Eine tödliche Kombination - wie dieser Pestfall eindringlich beweist. Im ganzen Land passieren solche Sachen.«
»Mußten Sie auch Leute entlassen?« wollte Jack wissen. Bisher hatte er immer geglaubt, daß die Krankenhäuser gerade mit ihren Labors das große Geld verdienten.
»Fast zwanzig Prozent unserer Mitarbeiter«, erwiderte Martin. »Und andere wurden degradiert. Unsere Abteilung für Mikrobiologie hat zum Beispiel keinen Leiter mehr; wenn es einen gäbe, hätte er die Pest-Diagnose sicher gestellt. Mit unserem schmalen Budget können wir uns keinen Vorgesetzten mehr leisten. Es ist wirklich deprimierend. Früher hatte unser Labor den Anspruch, exzellente Leistungen zu erbringen, heute genügt es, wenn sie ›ausreichend‹ sind - was auch immer das heißen mag.«
»Können Sie mit Hilfe Ihres Computers herausfinden, welcher von ihren Mitarbeitern die Gram-Färbung durchgeführt hat?« fragte Jack. »Wir könnten diesen Zwischenfall ja wenigstens als Lehrbeispiel verwerten.«
»Eine prima Idee.« Martin widmete sich wieder seinem Computer. Die Identität des gesuchten Mitarbeiters erschien verschlüsselt auf dem Bildschirm. Plötzlich drehte Martin sich um. »Mir ist da gerade noch etwas eingefallen«, sagte er. »Gestern erst hat unser erfahrenster Laborassistent mich gefragt, ob ich mir vorstellen könne, daß einer unserer Patienten die Pest hat. Ich fürchte, ich habe ihn entmutigt, der Sache weiter nachzugehen. Ich habe ihn nämlich darauf hingewiesen, daß die Chancen, daß er recht habe, ungefähr eins zu einer Milliarde stünden.« Jack horchte auf. »Wieso ist ihm die Pest in den Sinn gekommen?«
»Das frage ich mich auch«, erwiderte Martin und rief über die Haussprechanlage Richard Overstreet aus. Während sie auf ihn warteten, stellte Martin fest, daß ursprünglich Nancy Wiggens die Gram-Färbung hatte durchführen sollen, sich dann aber ausgetragen hatte. Auch sie rief er aus.
Wenig später erschien Richard Overstreet. Er war ein knabenhafter, athletisch gebauter Man, dem sein kastanienbraunes Haar immer wieder in
Weitere Kostenlose Bücher