Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
Daß Ihr Körper an allen Ecken und Kanten weh tut, kann ich mir vorstellen.«
»Wenn ich ehrlich bin, hat mich dieser Überfall ziemlich geschockt«, gestand Jack. »Ich weiß einiges über Gangs, deshalb habe ich großen Respekt vor diesen brutalen Typen.«
»Darum wollte ich ja auch, daß Sie die Polizei anrufen«, erklärte Terese.
»Sie verstehen nicht, was ich meine«, entgegnete Jack. »Die Polizei kann mir nicht helfen. Deshalb habe ich den Beamten ja nicht einmal den möglichen Namen der Gang oder die Vornamen der Typen genannt. Selbst wenn die Polizei die Kerle aufgreifen würde, könnte sie ihnen nur einen kleinen Verweis erteilen. Innerhalb kürzester Zeit wären sie wieder auf der Straße.«
»Und was wollen Sie jetzt tun?«
»Am besten lasse ich mich wohl wirklich nicht mehr im Manhattan General blicken. Es scheint ja, als könnte ich damit alle möglichen Leute glücklich machen. Sogar mein Chef hat mir verboten, der Klinik weitere Besuche abzustatten. Ich nehme an, daß ich der Geschichte auch anders auf den Grund kommen kann.«
»Das beruhigt mich«, sagte Terese. »Ich hatte schon Angst, Sie würden diese Warnung nur als neue Herausforderung betrachten.«
»Keine Sorge. Ich bin kein Held.«
»Und warum kutschieren Sie dann mit dem Fahrrad in dieser Stadt herum?« wollte Terese wissen. »Radeln nachts durch den Central Park? Warum leben Sie in dieser schrecklichen Gegend? Ich mache mir sehr wohl Sorgen. Ich weiß nur nicht, ob Sie sich der Gefahr einfach nicht bewußt sind, oder ob Sie das Schicksal mit Absicht herausfordern. Erklären Sie’s mir!« Terese sah ihn mit ihren blaßblauen Augen an. Jack hielt dem Blick stand. Sie konfrontierte ihn mit Fragen, denen er normalerweise aus dem Wege ging. Sie waren zu persönlich. Doch nachdem sie sich so um ihn gekümmert und keine Mühe gescheut hatte, ihm zu helfen, hatte er das Gefühl, daß er ihr eine Antwort schuldete. »Ich glaube, es reizt mich, das Schicksal herauszufordern«, gab er schließlich zu. »Darf ich fragen, warum?«
»Vielleicht liegt es daran, daß ich keine Angst vorm Sterben habe«, erklärte Jack. »Es gab sogar mal eine Zeit, da hätte ich den Tod als Erleichterung empfunden. Vor ein paar Jahren habe ich unter schweren Depressionen gelitten, und die scheinen noch immer irgendwo in meinem Hinterkopf zu schlummern.«
»Das kommt mir bekannt vor«, sagte Terese. »Ich habe auch schon mal unter Depressionen gelitten. Ist dem ein besonderes Ereignis vorangegangen? Darf ich das fragen?« Jack biß sich auf die Lippe. Es fiel ihm schwer, darüber zu reden, doch nachdem er einmal angefangen hatte, gab es kaum noch ein Zurück.
»Meine Frau ist gestorben«, brachte er schließlich hervor. Er schaffte es nicht, auch noch seine Kinder zu erwähnen. »Das tut mir leid«, sagte Terese voller Mitgefühl. Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Bei mir ist es mit den Depressionen losgegangen, nachdem ich mein einziges Kind verloren hatte.« Jack wandte sich ab. Terese’ Offenbarung rührte ihn fast zu Tränen. Er holte tief Luft und sah ihr wieder in die Augen. Sie war eine hart arbeitende Frau, und sie war kompliziert, das hatte er vom ersten Augenblick an gewußt. Doch jetzt war ihm klar, daß sich hinter ihrer Fassade mehr verbarg.
»Sieht fast so aus, als hätten wir noch mehr gemeinsam als unsere Abneigung gegen Diskotheken«, bemerkte er, um die Atmosphäre ein wenig aufzuheitern.
»Ich denke, wir haben beide unsere seelischen Narben davongetragen«, entgegnete Terese. »Und wir opfern uns beide bis an die Grenzen im Berufsleben auf.«
»Daß wir diese Eigenschaft teilen, möchte ich eher bezweifeln«, widersprach Jack. »Ich engagiere mich längst nicht mehr so sehr für meine Arbeit wie früher, und so aufopferungsvoll wie Sie bin ich garantiert nicht. Die Reformen im Gesundheitswesen haben mir so einige Illusionen geraubt.«
Terese erhob sich, was Jack zum Anlaß nahm, sich ebenfalls aufzurichten. Sie standen so dicht beieinander, daß ihre Körper sich beinahe berührten.
»Ich wollte sagen, daß wir wahrscheinlich beide Angst haben, emotionale Bindungen einzugehen«, sagte Terese. »Unsere Gefühle sind zu tief verletzt worden.«
»Da haben Sie sicher recht.«
Terese küßte ihre Fingerspitzen und führte sie vorsichtig zu Jacks Lippen.
»In ein paar Stunden schaue ich bei Ihnen herein und wecke Sie. Erschrecken Sie nicht.«
»Es gefällt mir ganz und gar nicht, daß ich Ihnen so viele Umstände mache«, sagte
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