Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
»Das Manhattan General sollte ich wohl vorübergehend meiden.« Jack grinste. »Fahren wir zum Columbia-Presbyterian.«
»Okay.« Terese lehnte sich zurück.
»Es ist wirklich sehr nett von Ihnen, daß Sie einfach so zu mir gekommen sind«, sagte Jack. »Damit hätte ich nie gerechnet. Ich bin ganz gerührt.«
»Bestimmt hätten Sie an meiner Stelle genauso gehandelt«, entgegnete Terese.
Jack fragte sich, ob er das wirklich getan hätte. Er war sich nicht so sicher. Sein ganzer Tag war chaotisch und voller Überraschungen gewesen.
Der Besuch in der Notaufnahme ging glatt über die Bühne. Sie mußten eine Weile warten, weil die Opfer von Autounfällen, Messerstechereien und Herzanfällen vorrangig behandelt wurden, doch schließlich war auch Jack an der Reihe. Terese bestand darauf, die ganze Zeit bei ihm zu bleiben und begleitete ihn sogar in den Behandlungsraum.
Als der Unfallarzt hörte, daß Jack Gerichtsmediziner war, wollte er ihn unbedingt auch noch von einem Neurologen durchchecken lassen. Dieser nahm eine äußerst gründliche Untersuchung vor und kam zu dem Ergebnis, das Jack vollkommen in Ordnung war. Er erklärte ihm, er halte es nicht einmal für nötig, eine Röntgenaufnahme zu machen, es sei denn, Jack bestehe darauf, was er jedoch nicht tat.
»Das einzige, was ich empfehlen möchte, ist, daß heute nacht jemand ein Auge auf Sie haben sollte«, erklärte der Neurologe, während er sich zu Terese umdrehte. »Wecken Sie Ihren Mann ein paarmal auf, Mrs. Stapleton, und überprüfen Sie, ob er sich normal verhält. Sehen Sie auch nach, ob seine Pupillen unverändert bleiben. Okay?«
»In Ordnung«, sagte Terese.
Als sie kurz darauf das Krankenhaus verließen, bemerkte Jack, es habe ihn ziemlich überrascht, wie gelassen sie auf diese Anrede reagiert habe.
»Wenn ich den Mann korrigiert hätte, hätte ich ihn wahrscheinlich nur in Verlegenheit gebracht«, erklärte Terese. »Aber seinen Rat nehme ich sehr ernst. Sie kommen heute nacht mit zu mir.«
»Aber Terese…«
»Keine Widerrede. Sie haben gehört, was der Arzt gesagt hat. Ich lasse Sie auf gar keinen Fall zurück in diese Höllengegend, in der Sie überfallen worden sind.«
Da ihm sein pochender Schädel, sein schmerzender Kiefer und sein flauer Magen genug zu schaffen machten, gab Jack sich schließlich geschlagen. »Okay«, sagte er. »Aber es ist wirklich nicht nötig, daß Sie das alles für mich tun.«
Als sie im Fahrstuhl des piekfeinen Hochhauses nach oben fuhren, war Jack ihr von Herzen dankbar. Seit Jahren hatte ihn niemand so nett behandelt wie Terese. Sie war so fürsorglich und großherzig, daß sein Gewissen sich regte, weil er sie auf den ersten Blick so falsch eingeschätzt hatte.
»Ich habe ein Gästezimmer, und ich bin sicher, daß Sie sich darin absolut wohl fühlen werden«, sagte sie, als sie durch einen mit Teppichen ausgelegten Flur gingen. »Wenn meine alten Herrschaften mal in die Stadt kommen, um mich zu besuchen, wollen sie gar nicht wieder nach Hause.«
Terese’ Appartement war bildschön. Sogar die Zeitschriften lagen ordentlich gestapelt auf einem Beistelltisch. Alles sah danach aus, als erwarte Terese jeden Augenblick die Fotografen vom Architectural Digest.
Das Gästezimmer war romantisch eingerichtet: Die Blümchengardinen, der Teppich, die Tagesdecke - alles paßte zusammen. Diese Perfektion veranlaßte Jack zu der Bemerkung, daß er hoffentlich nicht die Orientierung verlieren und das Bett nicht mehr finden würde.
Nachdem er mit Wasser und Aspirin versorgt war, ließ Terese ihn in Ruhe duschen. Er zog einen Frotteebademantel über, der für ihn bereitlag, und ging zum Wohnzimmer. Vorsichtig lugte er um die Ecke und sah, daß Terese auf dem Sofa saß und las. Er setzte sich ihr gegenüber in einen Sessel. »Gehen Sie nicht schlafen?« fragte er.
»Ich wollte mich noch, vergewissern, ob Sie wohlauf sind«, erklärte sie und beugte sich ein wenig vor, um sein Gesicht aus der Nähe betrachten zu können. »Ich glaube, Ihre Pupillen haben sich nicht verändert.«
»Ich glaube auch nicht, daß sie sich verändert haben«, sagte Jack und lachte. »Sie nehmen die Anweisungen des Arztes aber ziemlich ernst.«
»Allerdings«, entgegnete Terese. »Und deshalb werde ich Sie heute nacht ein paarmal wecken - nur damit Sie Bescheid wissen.«
»Ich wage schon gar nicht mehr, Ihnen zu widersprechen.«
»Wie fühlen Sie sich?« wollte sie wissen. »Meinen Sie körperlich oder psychisch?«
»Psychisch.
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