Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
noch einmal nachfragen, ob ich Sie auch richtig verstanden habe. Vereinfacht gesagt kann es also auf Seiten der Praktikanten zu einer Tendenz kommen, den einzelnen Menschen zu entwerten, so als sähen sie vor lauter Wald die Bäume nicht mehr.«
»Vermutlich«, sagte Dr. Brown. »Aber man darf dieses Thema nicht bagatellisieren.«
»Wir werden uns bemühen«, entgegnete Tony mit einem kurzen Lachen, das einigen der Geschworenen ein vorsichtiges Lächeln entlockte. »Nun lassen Sie uns wieder auf den Beklagten, Dr. Craig Bowman, zurückkommen. Wie waren seine Leistungen während seines Praktikums in der Inneren Medizin?«
»Im Allgemeinen hervorragend. Von den sechs Studenten in seiner Gruppe verfügte er bei weitem über die größte Sachkenntnis und war immer am besten vorbereitet. Ich war oft überrascht von seinem guten Gedächtnis. Ich erinnere mich an einen Vorfall, als ich ihn nach dem BUN eines Patienten fragte.«
»Der BUN ist ein Laborwert?«, fragte Tony.
»Ja. Die Frage war eher rhetorischer Natur, weil ich hervorheben wollte, dass die Kenntnis der Nierenfunktion bei der Behandlung dieses Patienten von entscheidender Bedeutung war. Aber Dr. Bowman ratterte die Werte ohne zu zögern herunter, so dass ich mich fragte, ob er sie vielleicht einfach erfunden hatte, ein unter Medizinstudenten weit verbreiteter Trick, wenn sie verbergen wollen, dass sie sich nicht vorbereitet haben. Später habe ich nachgesehen, und die Angaben waren vollkommen richtig.«
»Also bekam Dr. Bowman eine gute Note für das Praktikum.«
»Er bekam ein A.«
»Und trotzdem haben Sie vorhin Ihre Aussage bezüglich seiner ›hervorragenden‹ Leistungen mit ›im Allgemeinen‹ eingeschränkt.«
»Ja, das habe ich.«
»Können Sie uns sagen warum?«
»Das hat mit einem Gefühl zu tun, welches mich die ganze Zeit über nicht losließ und das mich erneut beschlich, als ich Dr. Bowman während seiner Zeit als Assistenzarzt im Boston Memorial Hospital beaufsichtigte.«
»Und was war das für ein Gefühl?«
»Ich hatte das Gefühl, dass seine Persönlichkeit…«
»Einspruch!«, rief Randolph. »Der Zeuge ist weder Psychiater noch Psychologe.«
»Abgewiesen«, sagte Richter Davidson. »Als Arzt ist der Zeuge mit diesen Fachgebieten in Berührung gekommen. Wie weit seine Kompetenz reicht, können Sie im Kreuzverhör in Frage stellen. Der Zeuge kann fortfahren.«
»Ich hatte das Gefühl, dass Dr. Bowmans Drang nach Erfolg und die Tatsache, dass er unseren damaligen leitenden Assistenzarzt geradezu als einen Helden verehrte, ihn dazu brachten, Patienten als ein Mittel zum Wettbewerb zu betrachten. Er wählte bewusst die schwierigsten Fälle aus, so dass seine Falldarstellungen in intellektueller Hinsicht stets die interessantesten waren und das größte Lob einheimsten.«
»Mit anderen Worten, Sie hatten den Eindruck, dass Dr. Bowman die Patienten als ein Mittel für seine Karriere betrachtete?«
»Im Wesentlichen ja.«
»Und diese Haltung entspricht nicht der herrschenden Auffassung von ärztlicher Berufsethik?«
»Das ist korrekt.«
»Danke, Doktor«, sagte Tony. Er machte eine Pause, ließ seinen Blick über die Geschworenen gleiten, wobei er nacheinander mit jedem von ihnen Augenkontakt herstellte, und gab ihnen genug Zeit, das Gesagte zu verinnerlichen.
Jack beugte sich zu Alexis hinüber und flüsterte: »Jetzt verstehe ich, was du neulich über Tony Fasano gesagt hast. Der Typ ist gut. Jetzt bringt er neben der Concierge-Medizin auch noch das Medizinstudium mit dem ihm eigenen Konkurrenzdenken vor Gericht.«
»Es beunruhigt mich, dass er Craigs Erfolge in einen Nachteil verwandelt, weil er ahnt, dass Randolph genau das Gegenteil versuchen wird.«
Als Tony seine Befragung wieder aufnahm, stürzte er sich mit Feuereifer auf den Fall Patience Stanhope. Innerhalb kürzester Zeit brachte er Dr. Brown dazu, auszusagen, wie wichtig es sei, mit der Behandlung eines Herzinfarktpatienten unbedingt so schnell wie möglich zu beginnen, und dass er nach Durchsicht der Krankenberichte der Ansicht sei, dass Patience’ Überlebenschancen auf Grund der verspäteten Diagnose deutlich gesunken seien.
»Nur noch ein paar letzte Fragen, Dr. Brown«, sagte Tony. »Kennen Sie Dr. William Tardoff?«
»Ja.«
»Wissen Sie, dass er an der Boston University studiert hat?«
»Ja.«
»Und kennen Sie auch Dr. Noelle Everette und wissen, dass sie an der Tufts University studiert hat?«
»Ja, beides.«
Ȇberrascht es Sie, dass drei
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