Monuments Men
Menschenmengen ziehen umher und beobachten unsere Pioniere, wenn sie eine Holzbrücke bauen neben einer, die ihre eigenen Soldaten vor ein paar Tagen gesprengt haben, als wollten sie die unvermeidliche Zerstörung ihrer Waffen hinauszögern. Anstelle der neu aufgezogenen Trikolore wie in Frankreich wehen hier weiße Fahnen auf den Häusern und verkünden die bedingungslose Kapitulation. ... Eine alte Frau wischte sich mit dem Schürzenzipfel eine Träne aus dem Auge, aber die schwache, gebeugte, weißhaarige Frau dachte wahrscheinlich an ihren eigenen Sohn, der vielleicht für Hitler sein Leben gelassen hat. ... Wenn unsere Bulldozer die Balken beiseite räumen, die die Straßen versperren schauen die Leute zu, bis die Arbeit erledigt ist, und dann sägen sie die Balken auseinander und spalten sie zu Brennholz. Junge Mädchen versuchen ein wenig zu flirten, wenn sie sich sicher sind, dass sie niemand sieht. Es ist kein völlig trostloses Bild, aber warum kämpfen sie noch weiter?«
Am 20. März 1945 erreichten die Monuments Men die Basis der 3. US-Armee in Trier, einer der geschichtsträchtigsten Städte in Nordwesteuropa. »Trier gab es schon 1300 Jahre vor Rom, möge es weiter bestehen und sich ewigen Friedens erfreuen«, lautete eine berühmte Inschrift an einem Haus auf dem größten Marktplatz der Stadt. Das Gründungsdatum war erfunden, aber Trier war tatsächlich schon eine Garnisonsstadt gewesen, bevor die römischen Legionäre in der Zeit von Augustus dort erschienen. Bedauerlicherweise hatte die Stadt diesen Krieg nicht so gut überstanden wie das »sanfte bezwungene« Tal der Saar. 185
Posey bezeichnete Trier in einem Bericht über den Vormarsch der 3. Armee als »zerschmettert«. 186 Kirstein meinte, die Stadt befinde sich in einem schlimmeren Zustand als in jedem anderen Zeitabschnitt seit dem Mittelalter. »Die Verwüstung ist wie erstarrt«, schrieb er, »als sei der Augenblick des Feuersturms plötzlich angehalten worden und als habe die Luft ihre Kraft verloren, die Atome zusammenzuhalten, und als hätten sich verschiedene Gravitätszentren einen Nahkampf um die Materie geliefert, den die Materie verlor. Aus unbekanntem Grund ist eine bestimmte Brücke unversehrt geblieben ... Es gab nur noch Platz für einen einzigen Weg, nachdem alles auf die Straße gestürzt war. Die Stadt war praktisch menschenleer. Von den früher 90 000 Einwohnern hielten sich nun nur noch 2000 in der Stadt auf und hausten in einem System von Weinkellern. Diese Menschen sahen recht munter aus, die Frauen trugen Hosen, die Männer gewöhnliche Arbeitskleidung. Es ist üblich, sie nicht zu beachten. Aus den Fenstern einiger Häuser hängen weiße Laken oder Kissen. Es ist kaum noch etwas intakt geblieben. Fragmente von Wasserspeiern aus dem 15. Jahrhundert, barocke Giebel und gotische Türmchen mischen sich auf eindrucksvolle Weise mit Fleischermessern, Champagnerflaschen, Reiseplakaten, frischen violetten und gelben Krokussen und einem schönen Tag, mit Gas und Zersetzung, Emailleschildern und versilberten Kronleuchtern und grauenhaftem, entsetzlichem Schutt und Geröll. Zweifellos war es in Saint-Lô schlimmer, aber dort gab es nichts von Bedeutung. Hier stammt alles aus der Frühzeit des Christentums oder der Romanik oder der Neuromanik oder dem wunderbaren Barock.« 187
Die NS-Regierung hatte für die Erhaltung Triers viel Geld aufgewendet; besonderes Augenmerk hatte dem Hauptmarkt gegolten, der jetzt zum großen Teil in Trümmern lag, und der Simeonstraße, die auch »Straße der deutschen Geschichte« genannt wurde. Die Fassade des Doms und der damit verbundene Kreuzgang sowie der umgebende Bezirk waren stark beschädigt. Der barocke Palast der Grafen von Kessel war zusammengestürzt. Das Wohnhaus von Karl Marx, der hier 1818 das Licht der Welt erblickt hatte, war von den Nationalsozialisten als Druckerei für eine Parteizeitung genutzt worden. Die Alliierten hatten es bei einem Luftangriff in Schutt und Asche gelegt.
Aber dennoch waren Bauwerke von großer kulturhistorischer Bedeutung erhalten geblieben. »Im Inneren war der Dom unversehrt«, schrieb Kirstein, »abgesehen davon, dass die Glocke durch den Turm gefallen war; die Liebfrauenkirche war schwer beschädigt, aber sie stand noch. St. Paulinus, eine Orgie in Lila und blauem Rokoko, wurde nur deswegen getroffen, weil die dämlichen Nazis Panzer an einer Ecke der Fassade postiert hatten, die Porta Nigra blieb unversehrt außer an den Stellen, wo Maschinengewehre
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