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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Edsel
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»Entrez«, sagte er auf Französisch. »Ich habe schon auf Sie gewartet. Ich habe noch mit niemandem gesprochen, seit ich 24 Stunden vor dem Einmarsch Ihrer Armee Paris verlassen habe. Die große Stadt fehlt mir sehr.«
    Er deutete zu zwei Stühlen, dann drehte er sich um, um den Besuchern die übrigen Bewohner des Hauses vorzustellen. »Das ist meine Mutter. Und meine Frau Hildegard.« Er warf einen nervösen Blick auf deren Vater, den Zahnarzt. »Meine Tochter Eva. Und mein Sohn Dietrich«, sagte der Wissenschaftler stolz und deutete zu dem Baby im Arm seiner Ehefrau.
    Posey streckte einen Finger aus, den das Kind ergreifen sollte, aber das Baby zuckte zurück. Der Kleine sah ganz anders als Woogie aus, aber jedes Kind erinnerte ihn an den Jungen, den er in seiner Heimat zurückgelassen hatte.
    »Mein Schwiegervater hat mir berichtet, dass Sie die Kunstgelehrten sind, die im Dienst der amerikanischen Armee stehen«, sagte der Mann und setzte sich. »Sie müssen beeindruckt sein von Trier. Ich habe erfahren, dass die Paulinerkirche unversehrt geblieben ist, Gott sei Dank. Das Deckengewölbe ist etwas ganz Besonderes, ein echtes Kunstwerk, wenngleich nur zweihundert Jahre alt. Mein Forschungsgebiet ist das Mittelalter: das Ende der alten Welt und die Geburt unseres Zeitalters. Oder vielleicht ist das etwas zu dramatisch ausgedrückt. Ich bin schließlich nur ein gewöhnlicher Kunstwissenschaftler. Ich stelle gerade ein Buch über die Bildhauerei in der Île-de-France im 12. Jahrhundert fertig. Ich habe es anfangs zusammen mit Arthur Kingsley Porter geschrieben, den Sie wahrscheinlich kennen.«
    »Natürlich«, erwiderte Kirstein und dachte an den betagten Professor, bei dem er im Grundstudium Kunstgeschichte studiert hatte. »Ich kenne ihn aus Harvard.«
    »Ich ebenfalls«, sagte der deutsche Wissenschaftler. »Meine Abschlussarbeit. Seine Ehefrau ist mir noch immer in guter Erinnerung. Die klügste Verrückte, die ich jemals kennengelernt habe.« 193
    Dann wandte er sich plötzlich zu seiner Frau. »Cognac«, sagte er. Nachdem sie, die Kinder und der Zahnarzt den Raum verlassen hatten, veränderte sich der Tonfall des Wissenschaftlers. Er beugte sich nach vorn, begann schneller zu sprechen und erzählte seinen Besuchern ein wenig von seiner Vergangenheit.
    »Ich möchte Sie nicht belügen«, sagte er. »Ich habe Göring in Paris getroffen. Und ich kannte Rosenberg. Ich habe mit ihnen zusammengearbeitet. Als Wissenschaftler, wohlgemerkt, ich war kein wichtiger Mann, aber ich habe sie beobachtet und ihre Aktivitäten verfolgt. Ich war da, als Göring seine erste Zugladung mit Kunstwerken fortschaffen ließ. Ich habe ihm gesagt, dass sein Umgang mit den beschlagnahmten jüdischen Kulturgütern den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung widerspricht und auch der Auslegung von Hitlers Befehlen durch die Armee. Er verlangte eine genauere Erklärung. Als ich damit fertig war, sagte er einfach: ›Ich befehle Ihnen schlicht, mir zu gehorchen. Sie werden genau entsprechend meinen Anweisungen handeln.‹ 194 Als ich ihm sagte, dass die Militärverwaltung in Paris und die Juristen wahrscheinlich eine andere Haltung einnehmen würden, erklärte er mir: ›Mein lieber Bunjes, lassen Sie das meine Sorge sein. Ich bin der höchste Jurist im Staate.‹ Das hat er mir ins Gesicht gesagt, Gentlemen. Wortwörtlich, am 5. Februar 1941. Was hätte ich als kleiner Kunstgelehrter tun sollen? Und außerdem waren die Kunstwerke sicherer, wenn sie sich in Görings Besitz befanden, als wenn sie durch die Hände Tausender rangniedriger Nazis gewandert wären, die sie auch gerne besessen hätten. Sie sehen also, ich habe zum Schutz der Kunstwerke beigetragen. Es war ein Schutz durch Erwerbung.«
    Da kam seine Frau mit dem Cognac. »Ich danke dir, Schatz«, sagte er und schenkte sich selbst, Kirstein und Posey jeweils ein Glas ein. Posey zögerte und zündete sich stattdessen eine Zigarette an. Beide Männer brauchten etwas Ablenkung und mussten ihre Überraschung erst verarbeiten. Dieser Mann, der Kunstgelehrte vom Lande, war in Paris gewesen. Er kannte die Zusammenhänge und die Verantwortlichen. Er würde all die Fragen beantworten können, mit denen sie sich seit Monaten herumplagten.
    »Ich weiß viel«, sagte der Wissenschaftler, nachdem er mehrere Male am Cognacglas gerochen hatte, »aber ich verlange auch etwas dafür: sicheres Geleit für mich und meine Familie, wenn wir Deutschland verlassen. Ich möchte nur mein Buch vollenden und

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