Monuments Men
Trümmern liegende Dorf, wo die noch glühende Asche das einzige Licht in der pechschwarzen Nacht darstellte. Gegen Tagesanbruch bemerkten sie zwei alliierte Soldaten die an der Straße entlanggingen.
»Meine Güte«, sagten die Soldaten, nachdem sie den beiden Männern den Weg zum Lager beschrieben hatten. »Sind Sie die ganze Nacht hier herumgeirrt? In diesen Wäldern stecken überall noch deutsche Soldaten.«
Am späten Vormittag, nach einem kurzen Nickerchen, fanden Rorimer und sein Fahrer, als sie hinter einem Lastwagen der Alliierten herfuhren, eine seichte Stelle im Fluss. Einige Stunden später erreichten sie schließlich ihr Ziel: ein kleines Schloss. Es erwies sich, wie Rose Valland versprochen hatte, als ein weiteres Zwischenlager, voll mit wertvollen Kunstwerken aus dem Jeu de Paume.
Aber Rorimer konnte diesen Erfolg nicht wirklich genießen, denn eine bürokratische Panne hatte verhindert, dass sie einen weiteren großen Fang machten: Im Hauptquartier in Darmstadt hatte er erfahren, dass sich Baron Kurt von Behr, der Schrecken des Jeu de Paume, in seinem Schloss in Lichtenfels aufhielt, in einem Gebiet, das die Amerikaner gerade erst unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Da er zu viel zu tun hatte, um selbst nach Lichtenfels zu fahren, schickte Rorimer ein Telegramm an das alliierte Hauptquartier und drängte darauf, unverzüglich diesen Nazi-Führer festzunehmen, der mehr als jeder andere über die Raubzüge des ERR in Frankreich wusste. Einige Tage später stellte er fest, dass sein Telegramm in Heidelberg aufgehalten worden war, weil er nicht angegeben hatte, ob es als »dringend« oder als »gewöhnlich« behandelt werden solle. Als schließlich amerikanische Soldaten beim Schloss in Lichtenfels erschienen, lebte Oberst von Behr nicht mehr. Er und seine Frau hatten sich in der Bibliothek durch vergifteten Champagner das Leben genommen.
43
HITLERS TESTAMENT
Berlin und Süddeutschland
30. April 1945
Am 30. April 1945 verübte Hitler in seinem Bunker unter der Reichskanzlei Selbstmord. 256 Während der Lagebesprechung am 22. April hatte er einen Nervenzusammenbruch erlitten und in einem Wutanfall gegenüber seinen Militärführern zugegeben, dass Deutschland am Ende war. Die NSDAP zerfiel. Hitlers neues Berlin wurde durch Bomben und Granaten in Schutt und Asche gelegt. Seine Freunde und seine Generäle waren ihm in den Rücken gefallen, das glaubte er zumindest in seinem Verfolgungswahn. Er war noch immer zu fürchterlichen Wutausbrüchen fähig, wenn er jene beschimpfte, die ihn im Stich gelassen hatten, aber er versank in tiefe Grübeleien und war beseelt von Hass und Vernichtungswillen: Er wollte noch so viele Juden wie möglich töten; er wollte seine Armeen, auch alte Männer und junge Knaben, als Kanonenfutter an die Fronten werfen; er wollte, dass kein Stein mehr auf dem anderen blieb, dass die Infrastruktur Deutschlands vollständig zerstört wurde, damit dieses Land, das ihn verraten und sich durch seine Feigheit schwächer als andere gezeigt hatte, in die Steinzeit zurückfallen würde. Er wurde apathisch und verlor das Interesse an allem doch auch in diesen letzten Tagen, in seinem Führerbunker tief unter der Erde, wo man die Detonationen der sowjetischen Granaten hörte, war ihm etwas geblieben, das sich in seinem verwirrten Geist zu halten vermochte – wahrscheinlich das Einzige, das ihn menschlich und daher auch Furcht einflößend erscheinen ließ: seine Liebe zur Kunst.
In den vorhergehenden Monaten hatte er sich stundenlang entweder allein oder im Beisein einiger seiner Gefolgsleute – Gauleiter August Eigruber war ein regelmäßiger Besucher – im Keller der Neuen Reichskanzlei mit dem maßstabsgetreuen Modell seines Linzer Führermuseums beschäftigt, mit dessen großen Arkaden und Seitengängen, mit der hoch aufragenden Kunstkathedrale. Manchmal gestikulierte er energisch und wies auf ein brillantes Gestaltungselement oder eine grundlegende Wahrheit hin. Bisweilen beugte er sich auf seinem Stuhl nach vorn und drückte dabei unabsichtlich den Handschuh über seiner linken Hand fester und fester, und seine Augen traten unter seiner Militärmütze hervor, wenn er schweigend, vielleicht zum letzten Mal, das Symbol all dessen betrachtete, was nach seinem Willen jemals gewesen war oder sein würde.
Jetzt war es vorbei. Während des Abendessens am 28. April nur wenige Stunden bevor er seine langjährige Geliebte Eva Braun heiratete, sagte Hitler zu seiner Sekretärin Traudl
Weitere Kostenlose Bücher