Monuments Men
zahlreiche Kirchen und Kathedralen, die Staatsbibliothek, die Staatsarchive und den botanischen Garten zerstört. Alle Beamten in der Stadt erwarteten anscheinend von der alliierten Militärregierung, dass sie etwas unternahm, und alle wurden zu jenem bedauernswerten Hauptmann geschickt, der auf einem Klappstuhl in der Ecke eines unscheinbaren Büros saß, das er sich noch mit jemand anderem teilen musste. Die Sizilianer waren bereit zu helfen, aber sie benötigten Erläuterungen, Einschätzungen und Geld für Reparaturen, für Material und Geräte und für Handwerker, um die vom Einsturz bedrohten Gebäude zu sichern. Der Erzbischof wollte, dass man sich in erster Linie um die Kirchen kümmerte – und um seine private Residenz. General Patton, der mit seiner 7. US-Armee die Stadt eingenommen hatte, verlangte Geld, um die Unterkunft seiner Truppen, den früheren Palast des Königs von Sizilien, neu einzurichten.
Hammond hatte nicht die Zeit, um sich alle Forderungen anzuhören, geschweige denn, darauf Antworten zu finden. Mehr als einen Monat lang kam er nicht aus seinem Büro hinaus, um sich einige Stätten persönlich anzuschauen. Auf seiner privaten Schreibmaschine, die er von daheim mitgebracht hatte, tippte er Berichte an das Kriegsministerium und lange Briefe nach Hause, bat um weitere Informationen und Verstärkung. Sein Drängen blieb fruchtlos, bis schließlich im September der Monuments-Offizier Hauptmann F. H. J. Maxse ankam. Aber da war es bereits zu spät. Als die Alliierten am 3. September 1943 von der Spitze Siziliens auf das italienische Festland übersetzten, saß Hammond noch immer frustriert, verwirrt und hoffnungslos überfordert Hunderte Kilometer entfernt in Palermo. Schon das kleine, überwiegend ländlich geprägte Sizilien hatte sich für den ersten MFAA-Einsatz als eine Nummer zu groß erwiesen.
Am 10. September 1943, eine Woche nach der Landung der Alliierten auf dem italienischen Festland, schrieb Paul Sachs jubelnd an George Stout: »Ich hätte Ihnen schon früher schreiben und Ihnen mitteilen sollen, dass Ihr ›geistiges Kind‹ nun endlich in offizieller Weise Gestalt angenommen hat und dass der Präsident, wie Sie wissen, eine American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in Europe berufen hat mit dem Obersten Richter Roberts als Vorsitzendem, und auch ich wurde gebeten, dieser Kommission beizutreten, und diesem Wunsch habe ich entsprochen ... Ich dachte ... ich muss Ihnen sofort berichten, denn diese Kommission ist nicht nur das Ergebnis Ihres kühnen Denkens und Ihrer klaren Aussagen auf unserem Treffen im Metropolitan kurz nach Pearl Harbour, sondern ich glaube, dass Sie der echte Vater des Ganzen sind ... Es ist meine feste Überzeugung, dass die Bestellung dieser Kommission Ihrer Initiative, Ihrer Fantasie und Ihrer Entschlossenheit zu verdanken ist.« 32
Stout dürfte die Mitteilung mit einiger Verwunderung gelesen haben. Gewiss, er war der Vater, aber was hatte er zuwege gebracht? Nicht die Spezialistentruppe im Einsatz an den Fronten, wie er es sich vorgestellt hatte, sondern nur eine weitere bürokratische Instanz? Paul Sachs und die Museumsdirektoren hatten nach mehr als zweijährigen Bemühungen ihre Vorstellungen durchgesetzt, nicht seine.
Am 13. September, als die 5. US-Armee in heftigen Kämpfen ihren Brückenkopf bei Salerno zu halten versuchte, schrieb Stout einen Antwortbrief an Sachs: »Ich beglückwünsche die US-Regierung und den Vorsitzenden der Kommission, dass sie Sie als Mitarbeiter gewinnen konnten«, teilte er Sachs in seinem üblichen bissig-selbstironischen, sarkastischen Ton mit. »Sie haben mir freundlicherweise das Hauptverdienst dafür zugesprochen, dass dieses Projekt ins Laufen gekommen ist, aber Sie übertreiben gewaltig. Es bedarf nicht einmal eines durchschnittlichen Verstandes, um herauszufinden, was getan werden muss. Nur dass es getan wird, das zählt.« 33
Bericht von Alfred Rosenberg, Leiter des ERR (Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg), an Hitler vom 20. März 1943
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Meldung an den Führer.
Ich melde, dass der Haupttransport des in Paris von meinem Einsatzstab sichergestellten, herrenlosen jüdischen Kulturgutes am Sonnabend, den 15.d.Mts., als Sonderzug am Bergungsort in Neuschwanstein eingetroffen ist. Der vom Reichsmarschall Hermann Göring zur Verfügung gestellte Sonderzug umfaßte 25 D-Zug-Packwagen mit wertvollsten Gemälden, Möbeln, Gobelins, Kunsthandwerk und
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