Monuments Men
Leben in Amerika unverändert weiterführen können. Er war ein angesehener Bildhauer, der monumentale Werke schuf wie beispielsweise Sacrifice, das geflügelte Pferd in der Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in seiner Heimatstadt St. Louis. Er besaß zwei Kunstateliers, und obgleich er Schulden hatte (ein weiterer Grund, sich nicht um einen schlecht bezahlten Armeejob zu bemühen), hatte er mittlerweile ausreichend Aufträge akquiriert und genügend Anerkennung gefunden, um von seiner Arbeit leben zu können. Und einen Monat bevor er mit 42 Jahren nach Europa abgereist war, hatte er Saima Natti geheiratet, die Liebe seines Lebens.
Aber dennoch empfand kein anderer Soldat höhere Wertschätzung für seine Aufgabe im Krieg als Walker Hancock. Aus Pflichtbewusstsein hatte er sich kurz nach Pearl Harbour mit beinahe 40 Jahren beim Aufklärungsdienst der Air Force beworben. Er fiel in der praktischen Prüfung durch. Daraufhin ging er zur Marineaufklärung, bestand hier die praktische Prüfung mit Bravour und wurde gleich danach zur Armee eingezogen, um die Grundausbildung zu absolvieren. Kurze Zeit später ließ ihn der Ausbilder eines Morgens beim Appell heraustreten und teilte ihm mit, dass er versetzt werden würde. Hancock dachte, er werde zur Marineaufklärung zurückkehren, in Wirklichkeit aber hatte er einen Wettbewerb zum Entwurf der Air Medal gewonnen, einer der höchsten Tapferkeitsauszeichnungen der Armee. Nachdem er die Medaille entworfen hatte, trat Hancock in die italienische Sektion des Kriegsministeriums ein. Schließlich wurde er von der MFAA rekrutiert.
»Welch eigenartige Wendungen das Leben doch für uns Sterbliche bereithält«, schrieb er im Oktober 1943 an seine Verlobte. »Hier, nachdem ich so glücklich bin über dich, teilt man mir plötzlich mit, dass ich nach Übersee gehen soll, um dort die Arbeit zu verrichten, die mich in der Armee am meisten interessiert.« 80
Hancock verpasste seinen Schlachtschiff-Konvoi in New York – auch hier war man nicht informiert, dass ein Monuments Man mitfahren sollte –, und daher musste er sich jeden Tag am Hafen zum Dienst melden, falls ein Schiff noch einen freien Platz haben sollte. Er musste in seiner Uniform erscheinen und sein Gepäck mitführen, aber sonst gab es nichts für ihn zu tun. Manchmal war dies auf angenehme Art deprimierend. »Es ist wie in einem Gefängnis – dieses tägliche ›Zur-Verfügung-Stehen‹«, schrieb er an Saima, »während ich doch nur bei dir sein will ... Aber in der Zwischenzeit fühle ich mich wie im siebten Himmel – ich denke nicht einmal daran, meine Uhr aufzuziehen. Ein schöner Offizier bin ich!« 81
Aber er konnte seinen angeborenen Enthusiasmus und Optimismus nicht bändigen. »Versuchen wir, der Situation positive Seiten abzugewinnen«, schrieb er ihr, »die schönsten Seiten – nämlich dass wir wissen, wie sehr wir uns lieben, und dass die Freude, etwas Sinnvolles zu tun, dadurch nicht geringer, sondern größer wird.« 82
Saima fuhr nach New York – und frisch vermählt lebten sie und Walker in einem Soldatenhotel, wobei sie, wenn ihr Mann am Morgen wegging, nicht wusste, ob er am Abend wieder vom Hafen zurückkommen würde. Zwei Wochen lang kam er jeden Tag wieder, aber als er dann eines Abends nicht heimkehrte, da wusste sie, dass er abgereist war. – Die Armee hatte ihm nicht einmal die Gelegenheit gegeben, sich von ihr zu verabschieden.
»Die Sonne und der Wind und die anregende Seite einer Schiffsreise«, schrieb er Saima nach seiner Ankunft in England, »erinnern mich daran, was für ein Privileg es ist, die Ereignisse dieses Jahres persönlich mitzuerleben, das später einmal als das dramatischste Jahr seit Generationen gelten wird – anstatt nur in den Gewölben des Pentagon darüber zu lesen.« 83 Mit 42 Jahren, so versicherte er ihr, sei er alt genug, um mit offenen Augen die Wunder der Welt wahrzunehmen, und er fürchte, dass »die meisten Jungs später einmal aufwachen und erkennen werden, was sie versäumt haben.« 84
Nun, nach acht Monaten in England, befand er sich in Nordfrankreich. Die Landung in der Normandie war zu einem Sturmlauf geworden, und die Alliierten stießen in Richtung der deutschen Grenze vor, fast ohne auf Widerstand durch die sich zurückziehenden deutschen Truppen zu treffen. General George C. Marshall, der einflussreichste Militärberater Präsident Roosevelts, rechnete damit, dass die Schlacht um Europa zwischen dem 1. September und dem 1.
Weitere Kostenlose Bücher