Moonlit Nights
die Augen, dass mein Gehirn
keine weiteren Befehle mehr sendete. Wieder überfielen mich
dieses unbeschreibliche Kribbeln und das Verlangen, meine
Lippen auf seine zu pressen. Langsam zog ich meine Hand
zurück. Meine Fingerspitzen glitten dabei sanft über seinen
Handrücken, bevor ich meine Hand endgültig zurücknahm. Ich
hörte, wie Liam tief einatmete. Seine Augen hielten mich immer
noch fest. Zögernd legte er seine Hand an meinen Hals und
streichelte mit seinem Daumen zart über meine Wange, die mehr
und mehr errötete. Schüchtern schlug ich die Augen nieder.
»Emma?«, sprach er mich an. Ich musste ihn ansehen, mir war
klar, sonst würde er nicht weitersprechen. Verschämt blickte ich
wieder in die dunkle Unendlichkeit seiner Augen. Ich merkte, wie
mein Blut in den Adern pulsierte und mein Herz immer schneller
schlug. »Ich wollte …« Doch Liam kam gar nicht dazu
auszureden. Mein Vater polterte die Treppe hinunter und starrte
uns entsetzt an. Schnell entwand ich mich Liams Berührung und
wich ein Stück zurück – obwohl mir das fast noch größere
seelische Schmerzen bereitete, als die Peinlichkeit, von meinem
Vater in solch einer Situation erwischt zu werden. »Was macht ihr
denn da?!«, rief er entgeistert. Was für eine dämliche Frage war
das denn? Wonach sah es denn aus? Was für eine Antwort
erwartete er? Liam streichelt meine Wange und gesteht mir gerade
seine Liebe? Wollte er das überhaupt? Was wollte Liam mir
eigentlich sagen, bevor mein Vater so unsensibel dazwischen
geplatzt war? Oh Dad! Dass er immer in den unpassendsten
Momenten kommen musste. Meine Antwort war die
Standardantwort eines von Eltern genervten Teenagers: »Nichts!«
Verdutzt schaute Fred mich an, dann kniff er ein Auge zusammen,
wie ich es letztens getan hatte, als Liam mir erzählte, er sei alleine
unterwegs gewesen. Erschreckend, was man so alles erben
konnte. Ich nahm mir vor, das nie wieder zu tun. »Gut ... äh … du
sollst mal hoch zu deiner … äh … Mutter kommen«, stammelte
mein Vater und glotzte uns weiter an. »Mach ich«, antwortete ich
gehorsam und versuchte ihm mit meinem Blick begreiflich zu
machen, dass er uns bitte allein lassen möge. Mein Dad – die
Inkarnation der Taktlosigkeit – kapierte mal wieder gar nichts.
»Was?« Sein Blick war verständnislos.
»Tschüss Dad«, sagte ich mit Nachdruck und Fred verließ
widerwillig den Keller.
Ich wandte mich Liam zu und lächelte gequält. »Ich werd’ dann
mal …« Ich drehte mich um und ging Richtung Treppe, als Liam
mich am Arm fasste und zurückzog. Wie gewohnt war seine
Berührung sanft, aber bestimmend. Er hatte mich zu sich gedreht,
hielt mich nun an beiden Händen fest und zog mich noch näher an
sich, sodass ich all die Wärme spüren konnte, die von ihm
ausging, ohne ihn zu berühren. Liam beugte sich leicht herab und
hielt kurz inne. Er schien zu überlegen. Dann hauchten mir seine
seidigen Lippen einen Kuss auf die Stirn. Er ließ mich los, packte
zwei Obstkisten und ging ohne sich noch einmal umzudrehen die
Treppe hinauf. Langsam schlich ich ins Wohnhaus. Meine Mutter
stand in der Küche und erwartete mich bereits. »Wenn du das
noch einmal mit deinem Vater machst, bekommt er bestimmt
einen Herzinfarkt!«, schimpfte sie mit gespielter Ernsthaftigkeit.
Ich lächelte verlegen. War ja klar, dass er ihr schon alles haarklein
erzählt hatte. Er hoffte wahrscheinlich, dass meine Mutter mir die
Ohren lang zog, weil er sich selbst nicht traute, mich darauf
anzusprechen. »Könntest du bitte das Gemüse schneiden?« Meine
Mom gab mir ein Brettchen und ein Messer. Ich nahm die Sachen
kommentarlos entgegen, was so viel bedeutete, wie »ja, mach’
ich.« Eine Weile arbeiteten wir schweigend nebeneinander.
»Du, Mom?« Meine Mutter blickte auf. »Sag’ mal... woran
könnte es liegen, wenn ein Junge und ein Mädchen sich
vermutlich anziehend finden, sich aber nicht auf den Mund
küssen?«
Meine Mutter antwortete prompt und ungeniert. »Einer von
beiden hat tierischen Mundgeruch!« Fassungslos starrte ich sie an
und meine Mutter bekam große Augen. »Liam möchte dich nicht
auf den Mund küssen?« Ich wurde rot. »Quatsch … es geht doch
nicht um mich. Eine Freundin hat mir das erzählt«, log ich
entrüstet, weil das Wort endpeinlich schon nicht mehr ausreichte,
um meine Gefühle bezüglich der momentanen Situation zu
beschreiben. Kritisch beäugte mich meine Mutter. »Eine
Freundin?,«
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