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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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Nur ein Alptraum, hatte sie mir versichert, aber ich hatte es bezweifelt.
    »Wie war es gestern bei der Arbeit?«, fragte ich, um das Schweigen zu brechen. »Hast du in einem deiner Groschenromane ein paar interessante Leckerbissen gelesen?«
    Sie stellte ihren leeren Kaffeebecher ab und nahm die Schüssel mit dem Haferbrei zur Hand. »Ehrlich gesagt habe ich gekündigt.«
    »Du …«
    »Ich habe gekündigt. Ich hatte während der Arbeit eine Vision, bin dabei vom Stuhl gefallen und habe angefangen, zu weinen und zu schreien. Ich dachte, ich hätte eine ganze Horde von Blutsaugern gesehen, die durch die Fabrik marschierten. Der Boss hat mir geraten, nach Hause zu gehen und mich auszuruhen, aber ich habe einfach gekündigt. Es hat keinen Sinn mehr, dort zu arbeiten. Nicht nach dem, was passiert ist.«
    »Was willst du jetzt machen? Mrs. Brodsky wird dich rauswerfen, Aileen, und ich kann meine Miete jeden Monat auch nur mit Mühe zusammenkratzen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Oh, Zeph, ich würde dich niemals bitten, für mich aufzukommen. Mach dir keine Sorgen. Ich habe ein bisschen Kohle verdient.« Sie griff in ihre Tasche und legte eine Handvoll Kleingeld auf den Tisch. »Vier Dollar«, sagte sie leise. »Für vier Stunden, in denen ich auf der Skid Row die Zukunft vorausgesagt habe. Wenn ich gewusst hätte, dass ein paar Armreifen mit klirrenden Münzen daran und Zigeunerohrringe mir so viel Geld einbringen würden, hätte ich schon längst gekündigt.«
    Spontan drückte ich ihre Hand. »Wahrsagen? Hast du den Leuten tatsächlich die Wahrheit gesagt?«
    »Das ist ja das Komische. Ich hatte es gar nicht vor, aber als ich anfing, habe ich teilweise echte Einblicke in die Zukunft bekommen. Ich habe eine Frau sterben sehen – natürlich habe ich es ihr nicht gesagt. Ich habe es den meisten nicht gesagt.« Sie musterte mich. »Inzwischen fühlt es sich an, als hätte ich die Visionen besser unter Kontrolle. Wenn ich die Kraft in bestimmte Bahnen lenke, kann sie mich nicht unvermutet überfallen. Das ist doch schon mal was, oder?«
    Ich wollte etwas erwidern. Etwas wie:
Ich werde dir helfen. Ich werde es irgendwie schaffen, dass es leichter für dich ist, und ich werde dir irgendwie dein altes Leben als falscher Vamp, deine Groschenromane und deine lockeren Affären zurückgeben. Ich werde nicht zulassen, dass es dein Leben zerstört.
Stattdessen sagte ich: »Warum kannst du nicht einfach tanzen gehen wie wir anderen auch?«
     
    Charlie suchte mich im beengten Hinterzimmer des
Bürgerrates
auf, wo ich die Finanzberichte für die Steuererklärung studierte. Da sie mir nur ein Pauschalhonorar zahlten, musste ich jeden noch so absonderlichen Job annehmen, den sie mir anboten. Ich war zwar kein Zahlengenie, doch offensichtlich stellte ich eine deutliche Verbesserung zu jedem anderen dar, der für dieses schmale Geld arbeiten wollte.
    »Hallo, Zephyr«, sagte er beinahe schüchtern. Ich hatte nicht gehört, wie er hereingekommen war, und musste meinen erschreckten Aufschrei als Hustenanfall tarnen. Die Anwesenheit eines so jungen Vampirs mit einem so schlechten Ruf in einem so kleinen Raum war nicht gerade ermutigend.
    »Charlie! Was …«
    »Es geht um Nick«, sagte er und stocherte abwesend mit seinem Schuh in einem Loch im Marmorfußboden herum. »Er sagt, er will dich schon früher sehen.«
    Verdammt. Ich hatte eigentlich vorgehabt, vor dem Unterricht mit Nicholas noch schnell nach Amir zu schauen, denn ich hoffte, dass er in den Karten einen Hinweis entdeckt oder mehr von Judah erfahren hatte. Daddy und Troy würden mir nicht mehr viel Zeit lassen, und ich brauchte dringend Informationen, ehe ich Nicholas weiter aushorchte.
    »Ich bin beschäftigt, Charlie«, entgegnete ich forsch. »Ich habe zugestimmt, Nicholas zu unterrichten, nicht seine Sklavin zu sein.«
    Charlie runzelte die Stirn. Er wirkte sehr in Sorge um mich und dabei zugleich so jungenhaft süß, dass ich nicht darüber nachgrübeln wollte, ob die leichte Röte seiner Fingerspitzen und Ohren legal erworben war. »Ich denke, du solltest besser mitkommen. Nick hat nicht gerade gute Laune. Er hat letzte Nacht nicht mal
Faust
getrunken, trotzdem scheint er fast durchzudrehen.« Er erstarrte und blickte mich an. »Sag ihm nicht, dass ich dir das erzählt habe. Er hasst es, wenn wir so über ihn reden.«
    Das konnte ich mir lebhaft vorstellen. »Natürlich nicht, Charlie«, versicherte ich ihm. »Kann er noch ein paar Minuten warten?«
    »Oh, klar«,

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