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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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interessierten Frau zu machen. Lily warf mir nur einen winzigen bösen Blick zu, ehe sie sich wieder charmant wie eh und je gab. Vermutlich hatte sie begriffen, dass ich einen Grund hatte, mich in ihre Recherchearbeiten einzumischen. Mr. Kubanische Zigarre hieß eigentlich Earl Soundso und spielte an der Wall Street mit Aktienoptionen. Die Art bedeutungsloser, langweiliger Aktivität, die für manche Leute durch große US -Notenbank-Scheine spannend gemacht wurde. Sein Abendanzug hätte ebenso gut aus aneinandergenähten Hundertdollarscheinen bestehen können: Er hatte keine Mühen gescheut, um seinen Reichtum zur Schau zu stellen, und trug sogar Manschettenknöpfe mit Diamanten, die doppelt so groß waren wie die des Vampirs, den ich vor drei Nächten in der Gasse zum Platzen gebracht hatte.
    Ich betrachtete ihn aufmerksam und versuchte, unauffällig an ihm zu schnuppern, während Lily sprach. Er war kein Vampir. Aber etwas anderes … Ich bemerkte es schließlich, als ich vorgab, das Gleichgewicht zu verlieren. Er fing mich auf und hielt mich ein paar Momente länger als angemessen in seinen Armen. Lange genug, damit ich feststellen konnte, dass die Male auf seiner Glatze keine Leberflecke waren, sondern Dehnungsstreifen. Als ich einen verstohlenen Blick in seinen gestärkten hohen Kragen warf, konnte ich sehen, dass sie auch den Rest seines Körpers bedeckten. Ein Skinwalker. Wenn man diese Art der Gestaltwandlung lange genug praktiziert, sind die körperlichen Auswirkungen beinahe so offensichtlich wie bei einem Alkoholiker. Und ab und zu ähnlich lähmend.
    In der modernen Zeit konnte ein Skinwalker entweder mit seinen Fähigkeiten geboren werden, oder er konnte sie durch höchst unsittliche Mittel erwerben. Im letzteren Fall neigten die Gestaltwandler dazu, genauso empfindlich gegen Sonnenlicht und Alkohol zu sein wie ein Vampir. War es möglich, dass man Rinaldo fälschlicherweise für einen Blutsauger gehalten hatte, obwohl er eigentlich etwas anderes war?
    »Oh, Lily, schauen Sie nur!«, rief ich und stolperte vorwärts. »Da ist der liebe Arnold! Wir müssen ihn unbedingt begrüßen. Es war mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben«, sagte ich über die Schulter hinweg.
    Mr. Kubanische Zigarre wirkte verwirrt, also warf ich ihm noch schnell eine Kusshand zu. So, das sollte reichen. Nun ja, das einzige Problem, eine Betrunkene zu spielen, besteht darin, dass man nicht mit einem Schlag wieder nüchtern sein kann. Und reiche Männer beten beschwipste Damen offensichtlich an. Wir brauchten fast eine Stunde, um von der Party zu verschwinden und wieder auf der Straße zu stehen, wo wir endlich ungestört reden konnten.
    »War der Mann mit der stinkenden Zigarre tatsächlich ein Vampir?«, fragte Lily leise. Eigentlich bestand auf der verlassenen Straße kein Grund zu flüstern, doch ich verstand ihre Vorsicht.
    Ich schüttelte den Kopf und erklärte ihr meine Theorie über die Ähnlichkeiten zwischen vor langer Zeit gewandelten Vampiren und Skinwalkern. »Aber es ist möglich, dass unsere Informanten einfach nicht genug darüber wissen, um den Unterschied zu erkennen.«
    Nachdenklich starrte sie vor sich hin. »Rinaldo bemüht sich natürlich nicht, sie eines Besseren zu belehren … Ich nehme an, es ist ganz nützlich, sich in jede Person verwandeln zu können, die man will.«
    »Nicht in
jede
andere Person, sogar alte indianische Schamanen können sich nur in ein paar unterschiedliche Formen verwandeln. Meistens in Tiere. Aber Sie haben recht: Wenn man nicht weiß, dass der Boss seine Gestalt wandeln kann, hat er viel mehr Macht über einen.«
    »Wenn das wahr ist, könnte er jeder sein! Die Gestalt auf der Party könnte ebenfalls unecht sein. Woher sollen wir es wissen?«
    Ich fröstelte. »Beruhigen Sie sich. Ich habe keine Ahnung, ob es überhaupt Rinaldo war. Ich weiß nur, dass er zu den
Anderen
gehört. Wir sollten bloß die Möglichkeit im Hinterkopf behalten, dass er ein Skinwalker sein könnte. Sie holen Informationen über Earl Soundso ein, ich befrage meine Quelle, und wir treffen uns morgen wieder. Abgemacht?«
    Lily nickte. »Wissen Sie, es ist schon komisch. Ich habe mich in letzter Zeit oft gefragt, warum niemand die Rubrik über die
Anderen
machen will. Ich bin diejenige, die eine Exklusivstory nach der anderen bekommt. Es ist, als ob … als ob die
Anderen
das Bindegewebe der ganzen Stadt wären. Mehr als Politik und Verbrechen und ganz sicher mehr als die Klatschgeschichten

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