Moonshine - Stadt der Dunkelheit
genehmigen. Er war schon älter, konnte sich sehr gut tarnen und war wohlhabend genug, um sich diamantene Manschettenknöpfe leisten zu können. Wohlhabend genug, um jemand Wichtiges zu sein. Diese Möglichkeit ist mir nie in den Sinn gekommen.«
Sie packte mich am Handgelenk. »Wollen Sie damit etwa sagen …«
»Ich habe Dore getötet. Und jetzt wird Rinaldo im Gegenzug Aileen dafür umbringen.«
Ich überzeugte Lily davon, in die Redaktion zu fahren und rechtzeitig für die Morgenausgabe aufzuschreiben, was sie hatte. Um ehrlich zu sein, musste sie nicht lange überredet werden – die lässige Macht und Skrupellosigkeit von Rinaldos Gang hatte sie komplett aus der Fassung gebracht, und die Aussicht, ihnen direkt entgegenzutreten, machte ihr genauso viel Angst wie mir. Der einzige Unterschied zwischen uns beiden waren ein gewisses Maß an persönlicher Unvernunft und die Gewissheit, dass jemand, den ich liebte, sterben würde, wenn ich Rinaldo heute Nacht nicht fand und pfählte. Und Amir? Tja, an ihn konnte ich nicht denken.
Zum ersten Mal seit beinahe zwei Jahren ging ich auf die Jagd, um zu töten. Später würde ich es vielleicht bereuen, aber jetzt hatte ich nicht die Zeit dazu. Ich borgte mir Geld von Lily und winkte mir eine Droschke herbei, die mich zum
Gramercy Park Hotel
bringen sollte. Es war besonders furchtbar, dass Aileen entführt worden war, obwohl Hilfe in der Nähe gewesen wäre, wenn Daddy oder Troy sie nur bemerkt hätten. Doch die beiden sollten ihre Chance, Aileen zu helfen, jetzt bekommen. Ich raste an dem Concierge vorbei in einen Lift, der offen stand.
»Penthouse«, sagte ich zum Liftboy, der einen Blick auf mein Gesicht warf und die Türen schloss.
Ich hatte schon erwartet, in die Vorbereitungen zum morgigen Schlag zu platzen, aber als ich das Penthouse betrat, war ich schlicht überwältigt von der Masse an Waffen und Schutzpanzern, ebenso von den knappen Anweisungen, die alle sich laut zuriefen. Sie trugen sogar die praktischen schwarzen Jeans und die Oberteile aus Leinen, die de facto als Uniform der
Defender
dienten. War das hier eine Art Kostümprobe? Ich zählte insgesamt acht Männer, Daddy und Troy eingeschlossen. Ein paar von ihnen kannte ich noch aus meinen Zeiten als
Defender
, doch sie schenkten mir keine Beachtung.
Mama saß bei der Couch und schrie ins Telefon. Daddy machte es ihr nicht gerade leichter, etwas zu verstehen, da das Lauteste in dem ganzen Getöse sein tiefer Bass war, mit dem er – ziemlich schief – eines seiner liebsten Minenlieder sang. Ich denke, er sah sich gern als Soldat, der sich für den Krieg vorbereitete, und selbstverständlich braucht jeder Soldat ein Marschlied. Dieses Lied war eigentlich als »The Avondale Mining Disaster« bekannt, erzählte nun aber die weit farbenprächtigere Geschichte einer Vampirjagd mit Daddy und Troy in der Nähe von Helena.
Ich verdrehte die Augen. Ein Poet war mein Vater nun wirklich nicht. »Daddy!«, brüllte ich und versuchte, den Lärm zu übertönen. »Wir müssen uns unterhalten!«
Er saß am Fenster, schnallte seine Waffen fest und rief beinahe gleichzeitig mit Mama meinen Namen aus, als sie mich erblickten.
»Fang nicht wieder mit deinem Weltverbesserungskreuzzug an, hörst du? Deine Mutter hat gesagt, sie konnte dich nicht finden.« Er schürzte die Lippen. »Ich weiß nicht, was in letzter Zeit in euch Frauen gefahren ist. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie nach Yarrow zurückschicke, wenn sie so weitermacht.«
Ich stellte sie zur Rede. »Mama! Du hast mir gesagt, dass ich bis morgen Abend Zeit habe!«
Sie schüttelte den Kopf, und ich begriff, dass die Vorbereitungen kurzfristig begonnen haben mussten. Außer sie zu behindern und ein wenig zu bremsen, konnte sie die
Defender
, wenn sie einen Vertrag zu erfüllen hatten, genauso wenig aufhalten wie ich. »Es tut mir leid, Süße. Ich habe versucht, dich anzurufen.«
Doch ich hatte geschlafen. Ich spürte eine Welle des Entsetzens in mir, die stark genug war, dass meine Knie zu zittern begannen. Ich lehnte mich an die Couch, näher an Daddy. »Was ist passiert?«, wollte ich wissen.
Er zuckte die Schultern. »Das Geld ist da. Frag deinen Freund dort hinten, Zeph. Ich kümmere mich nicht um die Details.«
Troy zuckte ebenfalls die Achseln. »Der Kunde hat uns heute Nachmittag bezahlt. Mir wurde gesagt, dass die Pläne sich geändert hätten und dass es unbedingt erforderlich sei, dass wir den Schlag gegen die
Turn Boys
unverzüglich
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