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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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anderen Seite«, rief Nicholas, bevor wir in Panik ausbrechen konnten. Dann hörte ich ihn flüstern: »Ein platter Reifen.«
    Ein platter Reifen.
Das laute Kreischen von Zugrädern, wenn die Bahn in einem der Tunnel um eine bestimmte Kurve fuhr.
    »Was bin ich nur für eine verdammte Idiotin«, murmelte ich. Natürlich lebte Rinaldo im Untergrund. Hatte er Nicholas nicht in den nahe gelegenen Regenkanälen gewandelt? Hatte er ihn hier unten nicht Gott weiß wie lange eingesperrt? Jetzt war ich mir sicher, dass Nicholas uns zum richtigen Ort führte.
    Wir konnten den nächsten Zug bereits hinter uns dröhnen hören, als Nicholas eine schmale Eisentür öffnete, die in die Tunnelwände aus Beton eingelassen war, und uns hindurchführte. Der Fußboden erzitterte, als die Bahn vorbeidonnerte – keine drei Sekunden nachdem wir durch die Tür getreten waren. Nicholas entzündete ein Streichholz, machte eine Öllampe an, die neben der Tür stand, und reichte sie mir. »Wir sind fast da«, sagte er mit unnahbarem Blick. Er wirkte wie ein Mann, der zum Galgen geführt wurde – theoretisch verängstigt und praktisch erleichtert.
    »Meinst du, dass der Blutbeutel noch immer am Leben ist, Nick?«, fragte einer der
Turn Boys
.
    Nicholas zuckte die Achseln. »Papa ist furchtbar wütend. Für ihn ist es nicht nur ein Snack, vermutlich wird er ein bisschen mit ihr spielen. Ich würde sagen, dass wir noch etwas Zeit haben.«
    Die Vorstellung, dass Rinaldo mit Aileen spielte, verursachte mir Übelkeit, aber wenigstens bedeutete es, dass sie noch nicht tot war.
Bitte, lass sie noch am Leben sein.
    Die Tunnel wurden allmählich enger, obwohl sie offensichtlich von Menschenhand geschaffen waren. Ähnlich wie das seltsame Labyrinth, durch das Nicholas mich vor ein paar Tagen geführt hatte – im Gegensatz dazu allerdings fertiggestellt. Ich fragte mich, wer eine Lampe neben der Tür deponiert haben mochte. Das deutete darauf hin, dass sich auch Menschen in diesem Tunnelsystem aufhielten. Nur wie konnte ein Mensch so dicht bei den Zügen und so tief unterhalb der Stadt leben? Und, was noch schlimmer war, mit Rinaldo zusammen?
    Wir liefen der Antwort auf meine Frage bald darauf in die Arme. Eine Frau in einem gepflegten blauen Kleid mit angehobenem Saum und einem Hut mit breiter Krempe eilte auf uns zu. Ihr Haar war länger, als es in New York im Augenblick Mode war, und angesichts der seltsamen Umgebung war ich mir einen Moment lang sicher, dass wir über einen Geist gestolpert waren. Aber ein Geist würde wohl kaum seine eigene Lampe mit sich herumtragen.
    »Nicholas! Was machst du hier? Noch dazu mit den anderen?« Sie schüttelte den Kopf. »Er wird außer sich sein.«
    Nicholas spuckte aus. »Soll er doch. Es ist mir egal. Er ist mir egal, du bist es auch und dein dummer kleiner Giudo sowieso.«
    Sie wurde ganz ruhig – so wie Menschen es werden, wenn die einzige andere Option sinnloses Heulen ist. Ich betrachtete sie etwas genauer: Sie wirkte trotz ihrer makellosen Kleidung ausgezehrt und erschöpft. Ich nahm an, dass es sich bei ihr um die mysteriöse Kathryn handelte, die kürzlich auf der Suche nach jemandem ins
Beast’s Rum
gekommen war. Rinaldos
puttana
, wie ich mich erinnerte. Dann dachte ich wieder an das Testament, an Rinaldos Sohn Giudo … und seine Mutter Katerina.
    »Also hatte ich recht«, sagte sie mit bebender Stimme. »Du hast es getan. Er war noch ein kleiner Junge, Nicholas! Er hätte dir nie etwas zuleide getan …«
    Katerina klang genau wie Kathryn, wenn man Italienisch als Muttersprache hat. Und Giudo klang wie …
    Nicholas wippte auf den Füßen vor und zurück, und ich konnte seine Spannung beinahe schmecken. »Er hat mich gehasst.«
    »Du hast ihm wahnsinnige Angst gemacht! Was jetzt? Hast du ihn einfach umgebracht? Ich habe in allen Leichenschauhäusern nachgesehen, ich habe nach allen kleinen Jungs gefragt, die gebracht und gepfählt worden sind. Also, was hast du ihm angetan? Sag mir nur, welche Gosse es war, Nicholas, damit ich meinen Sohn wenigstens beerdigen kann!«
    Ich habe nach allen kleinen Jungs gefragt, die gebracht und gepfählt worden sind.
Sie hätten es ja getan, wollte ich sagen, wenn ich nicht eingegriffen hätte. Der Name, an den er sich erinnert hatte, war der Name, den seine Mutter ihm gegeben hatte. Judah, Rinaldos Sohn. Judah, der mit seiner Mutter zusammen die Schiffe bewundert hatte und den Nicholas in einem Regenkanal gewandelt hatte.
    »In einer Gasse in der Nähe der

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