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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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an einem Rad. Nicholas zögerte nicht, sondern wandte sich einer großen Eichentür zu seiner Rechten zu und drehte den Knauf. Abgeschlossen.
    »Zurück.« Seine Stimme war leise, doch ich taumelte rückwärts, als hätte er geschrien.
    Ohne Vorwarnung warf er sich gegen die Tür. Die Erschütterung des Aufpralls ließ den Marmor wie ein Erdbeben erzittern, aber das Holz war nur leicht eingedellt. Wieder warf er sich mit voller Kraft gegen die Tür, woraufhin der Knauf nachgab und sie splitternd aufglitt. Ich zog mein Schwert hervor, packte die nutzlose Pistole und folgte Nicholas in den Raum.
    Es schien ein Arbeitszimmer zu sein, was der schlichte Holzfußboden sowie die Instrumente und Bücher in den Regalen an den Wänden vermuten ließen. Ich erblickte Aileen zuerst. Zum Glück lebte sie. Sie war gefesselt und saß auf dem Boden. Um sie herum sah ich einen Kreis, der mit Kreide gemalt war, und an beiden Seiten ihres Halses bemerkte ich Blut. Nach einem kurzen Moment erst wurde mir klar, dass Rinaldo ihr die Manschettenknöpfe aus den Ohren gerissen haben musste. Sie beugte sich vor, als sie mich erkannte, und schrie gegen ihren Knebel an. Ich warf ihr ein Lächeln zu, das hoffentlich ermutigend wirkte, und versuchte, die Kreide mit dem Schuh fortzuwischen. Währenddessen wandte ich den Blick langsam der anderen Person zu, die sich im Zimmer befand. Der Mann stand vor einem größeren, jedoch leeren Kreidekreis und las aus etwas vor, das wie ein Buch der schwarzen Magie aussah. Irgendwie kam er mir bekannt vor, doch ich konnte nicht sagen, wo ich ihn schon einmal gesehen hatte. Er beendete, was auch immer er gelesen hatte, und legte einen Kräuterzweig in den Kreis.
    »So«, sagte er und drehte sich zu uns um. »Er sollte jetzt jeden Augenblick hier erscheinen.« Dabei lächelte er, und plötzlich wusste ich wieder, wo ich ihm schon mal begegnet war. Er war eine größere, bleichere und etwas teigigere Version des weißen Pianisten in Horace’ Klub und auf der Party, die ich mit Lily besucht hatte. »Moderne Musik« hatte Amir gesagt. Und der arme Nicholas mit seiner wunderschönen, für immer gefangenen Stimme. Rinaldo hatte einen schwachen italienischen Akzent, aber es bereitete ihm sicherlich kein Problem, ihn zu verbergen.
    »Schön, Sie wiederzusehen«, sagte ich mit erzwungener Lockerheit. »Sie sehen anders aus.«
    Er zuckte die Achseln. »Nur eines meiner Talente. Sie haben meinen Sohn also gefunden.«
    »Wirklich lustig. Welchen meinen Sie?«
    Meine Antwort überraschte ihn. »Ich sehe hier nur Nicholas«, entgegnete er vorsichtig.
    »Und nur ich weiß, wo sich Ihr zweiter Sohn aufhält. Wenn Sie ihn zurückhaben wollen, schlage ich vor, dass Sie mir meine Freundin geben.«
    »Sie haben den kleinen Giudo?«, fragte er.
    Ich zuckte zusammen. Wenn ich diesen Blutsauger schon umbringen musste, wünschte ich mir, er würde wenigstens nicht wie ein beunruhigter Vater klingen. Dann nickte ich.
    »Sie wollen also dieses Mädchen im Austausch für den Jungen? Aber sie hat einen guten Freund von mir umgebracht, Miss Hollis.«
    Ich vermutete, dass es nicht der geeignete Zeitpunkt war, um ihm zu erzählen, wer die böse Tat wirklich begangen hatte, also zuckte ich nur die Schultern. »Was ist Ihnen mehr wert? Ihr Sohn oder Ihre Rache?«
    Die Luft in dem leeren Kreidekreis begann zu schimmern, und einige der Instrumente klapperten auf den Regalen.
    »Ich fürchte, die Wahl ist nicht ganz so leicht«, erwiderte Rinaldo.
    Was ging hier vor? Ich wandte mich zu Nicholas um, doch der stand noch immer reglos wie eine Statue da. Sein Blick schweifte rastlos durchs Zimmer, allerdings in einer hektischen Geschwindigkeit. Ich vermutete, dass er sich tief in den Qualen eines Flashbacks befand. Alles, was ich jetzt unternahm, um ihn wieder in die Gegenwart zu holen, würde mich nur selbst gefährden.
    Der Raum hörte auf zu vibrieren, im Kreis klärte sich das Schimmern, und allmählich wurde eine Gestalt sichtbar.
    Es war ein Dschinn, wenngleich nicht ganz so dunkel oder wolkig wie Kardal. Er war sehr groß – fast zwei Meter fünfundvierzig –, und der dichte Rauch, der seinen Körper und seine strahlenden Augen einhüllte, schien von innen heraus wie Feuer zu leuchten. Ich hatte diesen Dschinn noch nie zuvor gesehen, dennoch kam mir etwas an dem übertriebenen Getue, das fast schon komisch wirkte, seltsam bekannt vor …
    »O Feuriger«, sagte Rinaldo, »ich biete dir als Opfer eine Jungfrau, damit deine Macht wachsen

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