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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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hatte Schwierigkeiten, genügend Luft zu bekommen. Also duckte ich mich, schlüpfte unter seinem Arm hindurch und ging zu der Chaiselongue, die am Fenster stand.
    »Ich habe nicht geahnt, dass es von Bedeutung sein könnte.«
    »Oh, du wolltest einfach abwarten, bis er ein paar Silberkugeln auf mich abfeuert?«
    Amir stützte sich noch immer an der Wand ab, und sogar aus der Ferne betrachtet sah er nicht gesund aus.
    Es war mir egal. »Ich hatte nichts damit zu tun!«
    »Er ist
dein
Vater.«
    »Tja, er ist verrückt.«
    »Wirfst du gerade Steine, Zephyr? Dein Vater gibt ein hübsches Glashaus ab.«
    Zornig stapfte ich in sein Schlafzimmer und holte meinen Hut und den Mantel. »Oh, jetzt meinst du also,
ich
wäre verrückt?«, rief ich über die Schulter hinweg. »Warum bittest du mich dann überhaupt um Hilfe?«
    Ich stülpte den Cloche-Hut über meine Locken und versuchte, die Knöpfe meiner Bluse zu ordnen.
Verdammter Dschinn.
    »Möglicherweise hätte ich das nicht getan, wenn ich gewusst hätte, was für einen rasenden Hinterwäldler du zum Vater hast.«
    Amir stand noch immer neben dem Aufzug, hatte sich inzwischen jedoch mit dem Rücken an die Wand gelehnt.
    »Rasender Hinterwäldler?«
, wiederholte ich mit zitternder Stimme. Ich trat zu ihm und holte aus, aber er ergriff mein Handgelenk, bevor ich ihn schlagen konnte.
    »Ich drücke mich noch freundlich aus. Solange du nicht auch glaubst, dass ich ein – wie hat er sich noch mal ausgedrückt? – ›scheußlicher Kameltreiber‹ bin.«
    Ich zuckte zusammen. »Natürlich denke ich das nicht, Amir. Es ist nur … er ist mein Daddy.«
    Sein Griff um mein Handgelenk lockerte sich, und in seinen Augen lag ein warmherziger Ausdruck, den ich nicht genau einordnen konnte. »Was bin ich eigentlich für dich, meine verrückte Vampirrechtlerin?«
    Atme. Bitte atme.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte ich.
    Er beugte sich herunter und strich mit seinen Lippen ganz leicht über meinen Mund. »Fast immer ehrlich«, sagte er. »Willst du noch immer davonlaufen?«
    Er ließ mich los, und ich bedauerte es sofort. »Ich … Ich habe eine Verabredung. Mit Nicholas, dem Anführer der
Turn Boys
. Ich soll ihn unterrichten.«
    Amir sah mich mit großen Augen an. »Tatsächlich? Bist du lebensmüde?«
    Ein Teil von mir wollte ihn berühren, doch ich machte bewusst einen Schritt zurück und drückte auf den Aufzugknopf.
    »Ich erfülle nur einen Vertrag«, erwiderte ich.
    Er erzitterte und lehnte seinen Kopf an die Wand. Plötzlich bemerkte ich, wie die Muskeln in seinen Armen und seinem nackten Oberkörper sich anspannten und zusammenzogen. Er stöhnte und ließ sich auf den Boden sinken.
    »Amir, bist du …«
    »Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht«, sagte er. Seine Stimme klang rauh und tief. »Du solltest das nicht tun.«
    Der Lift kam zum Stehen. Sollte ich gehen? Was auch immer mit Amir nicht stimmte – es gab nicht viel, was ich hier für ihn tun konnte.
    »Diese Anfälle … besteht da ein Zusammenhang zwischen den Attacken und Rinaldo samt seinen
Turn Boys

    Seine Augen glühten wie Kohlen. »Nein«, erwiderte er, und seine Stimme war nun von Schmerz umwölkt.
    Ich wünschte, ich hätte nicht das Gefühl, dass Daddys Besuch einen nicht unerheblichen Anteil an Amirs derzeitigem Zustand hatte. Ich öffnete die Lifttür und schob das Gitter zur Seite. »Du lügst.«
    Er lachte kurz auf. »Das kannst du gar nicht wissen.«
    »Du hast recht«, entgegnete ich und stieg in den Aufzug. »Das kann ich nicht.«
     
    Zugegebenermaßen hatte Nicholas meinen Vorschlag anfänglich nicht gerade begeistert aufgenommen. Tatsächlich hatte er mir gesagt, ich solle »verschwinden, bevor wir dich bis auf den letzten Tropfen Blut aussaugen«. Doch noch ehe ich drei Blocks gegangen war, hatte der Junge mich aufgehalten und gemeint, ich könne ihm Buchstaben beibringen, wenn ich zustimmte, ihn an demselben Abend um sieben im
Beast’s Rum
zu treffen. Ich nahm an, er hatte seine Meinung geändert. Er hatte mir erklärt, er habe vorher noch »etwas zu erledigen«. Natürlich hatte ich es tunlichst bleiben lassen, nach Details zu fragen.
    Vermutlich kam ich besser mit dem Job zurecht, wenn ich moralische Empfindlichkeiten möglichst beiseiteließ. Es war schließlich nicht so, dass ich, wenn ich den Kopf der
Turn Boys
unterrichtete – auch wenn es auf dem Papier natürlich abscheulich war –, die Bande dazu befähigte, ihre kriminellen Aktivitäten auszuweiten. Wenn überhaupt,

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