Moonshine - Stadt der Dunkelheit
könnte genauso gut ein sehr netter …«
Amir stieß ein Lachen aus, dennoch sank die Temperatur im Zimmer um wenigstens zwölf Grad. »Darf ich mich vorstellen? Die scheußliche Höllenkreatur, zu Ihren Diensten.«
Ich spürte, wie die Röte von meinem Nacken zu meiner Stirn wanderte. Gott, ich hatte ganz vergessen, wie peinlich Daddy manchmal war. Ich konnte es nicht mal ertragen, Amir anzusehen.
»Mama«, sagte ich. »Könntest du deinen martialischen Ehemann bitte zurück in euer Hotel bringen?«
Mama warf mir ein schiefes selbstironisches Lächeln zu, bei dem ich mich unerwartet nach längst vergangenen Tagen in Yarrow zurücksehnte.
Daddy sah aufmüpfig aus, trotzdem ergriff ich seine Hände und sagte mit meiner besten Daddys-kleines-Mädchen-Stimme: »Bitte?«
Es funktionierte. »
Martialisch.
Wo um alles in der Welt hat sie solche Ausdrücke her, Winnie? Der Teufel weiß, dass sie das nicht von mir gelernt hat. Sie kann kein bisschen schießen, aber Gott, wenn sie einen Dämon totquatschen kann …«
Ich blickte auf seine Holster und berührte mit den Fingern die Einlegearbeiten aus Perlmutt auf dem Leder der rechten Waffentasche. »Daddy, wie sicher bist du dir, dass ich noch immer nicht schießen kann?«
Daddy hielt inne und starrte mich an. Einen Moment lang wirkte er einfach nur überrascht, dann verzog sich sein Gesicht mit dem Bartschatten allmählich zu einem Lächeln. Sein Lachen war zuerst leise, schließlich dröhnend, warmherzig und ansteckend, genau so wie ich es kannte. Ich wollte wütend bleiben, aber das war angesichts seines Lachens immer schwer.
»Zephyr«, sagte Daddy und umarmte mich. Ich presste mein Gesicht an seine Brust. Er duftete nach Montanas Wäldern und süßem Pfeifentabak und Schwarzpulver. Für einen Augenblick fühlte es sich wie zu Hause an. »Zephyr, es ist schön, dich zu sehen. Aber du kannst bestimmt noch immer nicht schießen.«
Ich lachte. »Erwischt.«
»Ich kenne doch mein kleines Mädchen.«
Mama zupfte ihn am Ärmel. »Ich denke, wir sollten jetzt besser gehen, mein Lieber. Troy hat uns schon vor einer halben Stunde erwartet.«
»Ich … äh, ich bringe sie noch schnell zur Tür, Amir«, sagte ich.
Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Seine Augen waren noch immer nicht wieder normal, und er stand starr wie eine Statue im Zimmer. Ich betete zu Gott, dass ich mich irrte, aber es schien, als würde er wieder einen seiner Anfälle bekommen. Er nickte mir nur knapp zu, und ich drängte meine Eltern aus dem Schlafzimmer.
Meine Mutter winkte. »Nett, Sie kennengelernt zu haben … äh …«
»Amir«, half ich.
»Wenn Sie meinem kleinen Mädchen irgendetwas antun …«
Ich trat Daddy auf den Fuß und zog die Schlafzimmertür hinter uns ins Schloss, bevor er noch etwas sagen konnte.
»Wir wohnen im
Gramercy Park
«, teilte Mama mir mit, ehe Daddy den Lift in Bewegung setzte. »Versprichst du uns, mal vorbeizukommen? Wir sind auf jeden Fall ein paar Tage dort, bevor Troys Job losgeht.«
»Und keine zweifelhaften Betätigungen mehr mit diesem verdammten …«
»Tschüs, Daddy!« Ich schob die äußere Lifttür zu.
Einen Moment lang schloss ich die Augen und genoss die herrliche Stille. Es war immer hilfreich, daran erinnert zu werden, warum ich eigentlich von zu Hause fortgegangen war. Aber dann drang ein seltsamer Geruch in die Wohnung, ein Hauch von Verwesung, der aus dem Aufzugschacht stammte. Vielleicht war es doch angebracht, einen Putztrupp zu engagieren.
Ich nahm seinen Duft wahr, bevor seine Finger ganz sanft meine Haut berührten. Sein Moschusaroma war unverwechselbar. Nichts Menschliches konnte so riechen, als würde entweder er oder ich kurz davorstehen, in Flammen aufzugehen. Ich blickte ihn an. Seine Augen waren wieder normal, aber er sah blass und erschöpft aus. Es wirkte lässig, wie er sich mit der Hand hinter mir an der Wand abstützte, doch vermutlich lehnte er sich nicht nur wegen des Effekts, sondern auch wegen des Halts an.
»Tut mir leid wegen der Kanne«, sagte ich vorbeugend.
»Weißt du, wie viel diese Vase wert war?«
»Hättest du es lieber gehabt, dass er dich erschießt?«
Amir starrte mich an.
»Er stammt aus Montana«, sagte ich.
»Und er ist ein Dämonenjäger. Vielleicht hättest du zwischendurch mal erwähnen können, dass der Beruf deines Vaters und mein Sein, meine Existenz von Anbeginn der Zeit an, nur schlecht miteinander vereinbar sind?«
Er war mir viel zu nahe, und ich
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