Moonshine - Stadt der Dunkelheit
ein paar unangenehm lange Sekunden an, dann begann er plötzlich zu lächeln.
»Dass mein Geschlecht mir das Recht abspricht, meine Sicherheit aufs Spiel zu setzen.«
Er äffte mich ziemlich verblüffend nach – bis hin zu dem Hauch eines Akzents aus Montana, der jedes Mal durchbricht, wenn ich wütend bin. »Zephyr,
habibti
, ich stehe voll hinter deinem Recht, deine Sicherheit aufs Spiel zu setzen. Es würde mich einfach nur glücklicher machen, wenn du nicht auf einer Bahre in den Katakomben der
Tombs
enden würdest.«
Aus einem Impuls heraus legte ich meine Hand auf seinen Ellbogen und dachte an das berühmt-berüchtigte Gefängnis in Lower Manhattan. »Ich habe es auch nicht eilig, dorthin zu kommen. Ich werde vorsichtig sein.«
Amir beugte sich vor, bis unsere Nasenspitzen sich berührten und ich zu schielen begann. Ich konnte kaum noch atmen. Plötzlich zog er sich mit einem Seufzen zurück. »Ich musste vieles durchmachen, um die Vase zu bekommen«, sagte er wehmütig.
Mein Magen zog sich zusammen. »Ja, also … tut mir leid.« Ich betrachtete den gedankenverlorenen Ausdruck auf seinem Gesicht und entspannte mich. »Wie hast du sie in deinen Besitz gebracht? Hast du
Christie’s
überfallen?«
Er schnaubte. »Nur ein gut geplantes Feuerchen in einem Tempel. Sie haben die Antiquitäten dort wie Drachen behütet und wollten mir die Vase nicht verkaufen.«
»Du hast einen Tempel angezündet, um an eine
Vase
zu kommen? Ist dabei jemand zu Tode gekommen?«
Er wirkte ertappt, als hätte er erwartet, dass ich über seinen Dummejungenstreich lachte. »Ich … Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich habe so getan, als ob ich ein Dämon wäre, und jede Menge Lärm gemacht.«
»So getan, als ob.«
Er fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. »Richtig. Ming-Vasen sind ein Instrument der herrschenden Klasse, um das Proletariat zu unterdrücken. Also sei es mir verziehen.«
Ich verdrehte die Augen. »Du bist fast unerträglich, Amir.«
»Fast?«
Angesichts dieses Lächelns konnte ich über sehr vieles hinwegsehen. Er umfasste meinen Hinterkopf mit einer Hand und flüsterte etwas in seiner Sprache, das ich nicht verstand. Ich liebte allerdings den Klang – fließend wie das Wasser in einem Bach, aber gewürzt mit Steinen. Einer Stimme wie dieser konnte ich nicht trauen, sie war zu schön und zu geheimnisvoll.
Anders.
Wieder begann ich zu zittern.
»Ich muss nach Hause«, hauchte ich. »Mrs. Brodsky wird mich sonst wieder ausschließen.«
Seine Lippen berührten meine, ganz sacht wie die Seide seines Hemdes. »Wäre das denn so schlimm? Du könntest auch hierbleiben.«
Ja. Nein. Ja.
»Ich …«
Ich schloss die Augen, packte in sein widerspenstiges schwarzes Haar und griff an. Meine Zunge glitt über seine – rauh und süß – und strich an den Konturen seiner perfekten Zähne entlang. Er knabberte an meiner Lippe, während seine Haut an meiner wohlig warm wurde.
Ja. Ja. Ja. Nein.
»Ich muss nach Hause«, sagte ich und wich so hastig zurück, dass ich beinahe von der Couch gefallen wäre.
Voller Bedauern fuhr Amir sich über den Mund. »Ich muss offensichtlich noch an meiner Technik feilen.« Er stand auf. »Hol deine Sachen, ich bringe dich nach Hause. Du schaffst es sonst nicht mehr rechtzeitig. Wenn du schon stirbst, sollte es wenigstens ein ehrenwerter Tod sein – wie zum Beispiel durch die Hand eines blutrünstigen Vampirs. Zu erfrieren wäre unter deiner Würde.«
Benommen öffnete ich die Tür zur Pension, in der Nase noch immer Amirs rauchigen Duft, während mein Körper seine Hitze abstrahlte. Ich lehnte mich einen Moment lang an die Wand im Flur, und das Hochgefühl in mir kämpfte gegen die Erschöpfung an, die bis in meine Knochen drang. Ich musste schlafen. Ich wollte mit Amir schlafen. Ich war restlos und vollkommen verloren.
Der Flur war dunkel, aber kühl, als hätte jemand die Vordertür eine ganze Weile offen stehen lassen. Zu meiner Überraschung war in der Küche noch immer ein kleiner Lichtschimmer zu sehen, und ich hörte, dass sich jemand in dem Raum aufhielt.
»Katya?«, flüsterte ich. »Du hättest nicht extra aufbleiben müssen …«
Ich blieb abrupt auf der Türschwelle stehen, denn die Person, die auf einem Stuhl am Herd saß, war nicht Katya, sondern Mrs. Brodsky. Der Hausdrachen sah noch schlechter aus, als ich mich fühlte – ihre Augen waren blutunterlaufen und rötlich grau, was ich eigentlich nur von den alleinerziehenden Müttern kannte, die ich
Weitere Kostenlose Bücher