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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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Kreatur war eindeutig für mich bestimmt gewesen. An ihrem Nacken war mit einer roten Schleife ein Stück Papier befestigt. Wann war sie hierhergebracht worden? Dieser Wiedergänger mochte klein sein, doch es war bekannt, dass unvorbereitete Menschen sogar schon von Wiedergängern in Form von Krabben getötet worden waren. Was, wenn Aileen ins Bad gewollt hatte? Zum ersten Mal seit dem Angriff spürte ich Angst in mir aufsteigen. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn ihr wegen des Schlamassels, in dem ich steckte, etwas zustieß (und Mrs. Brodsky genauso wenig). Wer würde so etwas tun? Ich legte die tote Katze ab und las den Zettel.
     
    Eine kleine Aufmerksamkeit, weil Sie meine Jungs unterrichten.
     
    Großer Gott. Rinaldo. Er wusste etwas. Ich zwang mich, trotz der plötzlichen Enge in meiner Brust weiterzuatmen.
Ruhig, Zephyr.
Er konnte nicht alles wissen. Aber wie viel? Ahnte er womöglich etwas von meiner Verbindung zu Amir? Oder gab es einen anderen Grund, warum er mich nicht in der Nähe von Nicholas sehen wollte? Hastig stopfte ich den Zettel in meine Tasche und steckte das Messer zurück. Was auch immer seine Bedeutung sein mochte, ich musste den Wiedergänger loswerden. Hastig kletterte ich die Leiter zum Dach hinauf und warf die Katze in die Seitengasse, wo die Ratten kurzen Prozess mit ihr machen würden. Mein Arm pochte, als ich wieder ins Haus zurückkehrte, also spülte ich die Kratzer, die zum Glück nicht sehr tief waren, schnell im Waschbecken aus, ehe ich schließlich in unser Zimmer ging.
    Das Licht war aus, aber Aileen setzte sich auf, sobald ich die Tür öffnete. »Kann man wieder nach draußen gehen?«, fragte sie. Ihre Augen waren riesig, und ihr Gesicht war geisterhaft blass.
    Hatte sie meinen kleinen Kampf vor der Tür etwa mitbekommen? Woher sollte sie wissen, was es gewesen war?
    »Ja«, antwortete ich.
    Aileen nickte. Sie ließ die Decke los und sank quälend langsam ins Bett zurück. »Schön.« Sie sah zu mir herüber. »Geht’s dir gut?«
    Ich wandte mich leicht ab, so dass mein Oberkörper die Kratzer an meinem Arm verdeckte. »Danke, mir geht es gut. Es war nur eine streunende Katze.«
    »Oh, echt?« Sie klang leicht überrascht. »Ich habe bloß gesehen, dass das Wesen irgendwie zu den
Anderen
gehörte. Klein, aber gefährlich. Ich dachte schon, es könnte eine von Lizzys Werratten sein.«
    Ich zog mir das Nachthemd über den Kopf. »Du hast es
gesehen

    »O nein, nicht diese Art von Sehen. Die andere Art. Die Art meiner Großmutter …«
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass Aileen noch immer dieselben Kleider trug wie am Morgen. Ihr Haar war so stumpf, als hätte sie es den ganzen Tag lang nicht gebürstet. Sie sah furchtbar aus.
    »Was ist los, Aileen?«
    »Ich habe dich wieder mit Amir gesehen. Er ist seltsam, Zephyr. Du solltest vorsichtig sein. Ich kann es nicht besonders deutlich erkennen, aber ich weiß, dass du dich verletzen, dass du dir weh tun wirst, wenn du machst, was er verlangt.«
    O nein.
Aileen klang wie eine alte irische Wahrsagerin, nur wusste ich dieses Mal, dass sie keine Scherze machte. Ich nahm die Lampe, die neben ihrem Bett stand, und zündete sie eilig an. Im Lichtschein sah Aileen noch ausgezehrter aus als bisher.
    »Du glaubst, dass du seherische Fähigkeiten hast?«
    Sie vergrub ihr Gesicht im Kopfkissen. »Den ganzen Tag über sind die Visionen gekommen, und jedes Mal, wenn ich aufstehen will, kommt eine neue. Deine Eltern waren hier, und mit einem Mal wusste ich genau, wo du steckst.«
    »Ja, deswegen …«
    Ihr Lächeln war schwach, aber ehrlich. »Entschuldige. Mir ist erst später klargeworden, dass dir der Besuch deiner Eltern möglicherweise nicht recht sein könnte.«
    »Das kann man so sagen.«
    »Gott, ich bin so müde, dass ich gleich ohnmächtig werde. Ich glaube, ich sterbe.«
    Das war ein verdammt mieser Tag gewesen. Wie sollte ich es so taktvoll wie möglich ausdrücken? »Meinst du nicht, dass du vielleicht einfach nur ein bisschen … aufgewühlt bist?«
    Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, doch ich wusste, dass sie dem Gedanken nicht ganz abgeneigt war. »Wegen gestern Nacht, meinst du?«
    »Als ich zum ersten Mal dabei war, als ein Vampir ermordet wurde … na ja, das lässt einen nicht kalt, nicht wahr? Es ist alles andere als schön. Ich konnte eine Woche lang kaum etwas zu mir nehmen. Hast du heute schon etwas gegessen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht solltest du essen, versuchen zu schlafen und

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