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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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für den
Bürgerrat
besuchte. Sie rauchte eine unbeholfen gedrehte Zigarette und blies zittrige Wölkchen in Richtung des zugigen Fensters.
    »Was haben Sie die ganze Nacht lang gemacht, Miss Zephyr? Was kann so wichtig sein?«
    Angesichts der Katastrophe mit Amir an diesem Nachmittag war die Bemerkung wie ein Schuss Essig in eine frische Wunde. Ich zuckte die Schultern. »Gute Nacht, Mrs. Brodsky.«
    »Zephyr, warten Sie.«
    »Ja?«
    »Aileen … geht es ihr gut? Sie ist den ganzen Tag über in ihrem Zimmer geblieben und hat auch nicht reagiert, wenn ich nach ihr gerufen habe. Geht es um einen Jungen? Ich weiß, was ihr modernen Mädchen heutzutage mit Jungs macht – da würde jeder Seemann rot werden.«
    Ich verzog den Mund.
Schön wär’s.
»Sie hatte einfach nur … eine schlimme Nacht. Es geht ihr bald wieder gut.«
    Mrs. Brodsky funkelte mich an. »Ich kenne Sie, Miss Zephyr. Ich kenne die Art von Angelegenheiten, in die Sie ständig verwickelt werden. Sie sollten die arme Aileen nicht in Ihr Unglück hineinziehen, mit all Ihren Vampiren und Dämonen und Feen.«
    Tapfer unterdrückte ich den Drang, die Augen zu verdrehen, und sagte so freundlich wie möglich: »Ich werde versuchen, einen guten Einfluss auf sie zu haben. War das alles?«
    »Haben Sie nicht etwas vergessen?«
    Eindringlich sah sie mich an, aber ich war zu müde, um die von ihr bevorzugte Art der Kommunikation zu deuten, mit der sie für gewöhnlich nonverbal Schande und Einschüchterung ausdrückte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nach Mitternacht. Sonntag, Zephyr.«
    Ach, selbstverständlich.
Ich warf ihr ein schmallippiges Lächeln zu und fischte Amirs Geldscheinbündel aus meiner Tasche. Ich zählte vierundzwanzig Dollar in leicht feuchten Scheinen ab und warf sie auf die Herdplatte.
    »Für die kommenden zwei Monate. Gute Nacht, Mrs. Brodsky.«
     
    Die Lampe, die für gewöhnlich am Treppenabsatz stand, war verschwunden. Vermutlich war Lizzy die Übeltäterin. Sie war unsere Mitbewohnerin von schräg gegenüber und hatte solche Angst vor Ratten, dass sie sich weigerte, auch nur drei Schritte im Dunkeln zu machen. Im Winter, wenn die kleinen Nager es sich gern im Innern des Hauses bequem machten, neigte sie dazu, die Gemeinschaftslampe nicht mehr herzugeben.
    »Meinst du, sie hat Angst davor, sich in eine Werratte zu verwandeln?«, hatte ich Aileen einmal gefragt.
    Aileen hatte mich nur angestarrt. »Es gibt neben Werwölfen also tatsächlich auch so etwas wie Werratten?«, hatte sie entgegnet.
    »Oh, mach dir keine Sorgen«, hatte ich fröhlich erwidert. »Sie sind nicht sehr verbreitet.«
    Doch in diesem Moment natürlich, als ich in meinen feuchten, nach Amir duftenden Kleidern durch den Flur schlich, ertappte ich mich dabei, wie ich bei jedem Knarren und jedem Schlurfen im Dunkeln zusammenschreckte. Ich war kurz davor, mein Messer hervorzuholen, aber der Gedanke, dass eine ehemalige Dämonenjägerin versuchte, eine Kakerlake zu pfählen, war mir dann doch ein bisschen zu peinlich. Ich erreichte unsere Tür und beruhigte mich.
Siehst du, da ist nichts.
    Meine Hand lag schon auf dem Türknauf, als mit einem Mal etwas kreischte und mich am Unterarm kratzte. Ich wirbelte herum, den Rücken an die Wand gepresst und das Messer mit der silbernen Klinge beinahe genauso schnell in der Hand. Das Ding – lediglich ein verschwommener blauschwarzer Fleck auf dem hellen Holzfußboden – wollte sich auf meinen Kopf stürzen. Ich ließ das Messer fallen und ergriff die Kreatur, als sie an mir vorbeisegelte. Bevor das Wesen sich ernsthaft wehren konnte – ich hatte es als Wiedergänger in
irgendeiner
Form identifiziert und wusste, dass seine Kraft mich überraschen würde –, packte ich die Rückseite seines winzigen Kopfes und drehte ihn so lange, bis ich das vertraute Krachen hörte. Kein
Anderer
kann ein durchtrenntes Rückenmark überleben. Das ist die sauberste Art, sie zu töten, die es gibt, allerdings auch die schwierigste.
    Ich keuchte vor Anstrengung, fühlte mich ansonsten jedoch außergewöhnlich ruhig. Meine Hände zitterten nicht einmal, als ich die pelzige Kreatur ins schummrige Licht hielt, das durch ein Fenster hereinfiel. Keine Ratte, sondern eine kleine Katze. Das zottige Fell und der mit Narben bedeckte Schwanz ließen vermuten, dass sie eine Streunerin war. Jemand hatte das Zeichen eines Wiedergängers auf ihren Rücken gebrannt. Die Wunden waren noch frisch, weshalb es erst kürzlich passiert sein musste.
    Die

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