Moonshine - Stadt der Dunkelheit
verstehe das, Liebes …«
»Dann werdet ihr also warten?«
Langsam schüttelte er den Kopf. »Ich kann dir das nicht versprechen, denn das ist wirklich eine schlimme Bande von Blutsaugern. Wenn sich die Chance ergibt, schlagen wir zu.«
»Was ist mit Amir?«
»Na ja, er ist ein Mann, habe ich recht? Vielleicht sollte er seine verdammten Probleme allein lösen, statt meine Tochter zu bezahlen, als stünde sie zum Verkauf!«
O Gott, nicht das schon wieder.
»Gut, gut. Könntest du mir wenigstens verraten, wer Troy bezahlt? Oder ist das zu viel verlangt?«
Daddy sah aus, als würde er gleich anfangen zu brüllen, aber Mama legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Das können wir leider nicht, Süße. Troy hat es uns nicht erzählt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er selbst es weiß. Offensichtlich ist die ganze Angelegenheit sehr geheim.«
Ich stand auf. »Das«, sagte ich und funkelte die beiden an, »war ein wirklich reizender Tag. Recht herzlichen Dank für eure Hilfe.«
Mama hielt mich auf dem Weg zur Tür zurück und reichte mir eine kleine Schachtel, die in Goldfolie eingeschlagen war.
»Das Hotel hat sie uns geschenkt, aber ich mag keine Schokolade, und du weißt, dass dein Vater allergisch gegen Erdbeeren ist. Es ist nichts mit Tieren, versprochen. Du siehst aus, als könntest du etwas mehr zu essen vertragen, Zephyr.«
Ich umarmte sie. »Danke, Mama. Ich melde mich morgen.« Dann erhob ich die Stimme, damit Daddy mich ebenfalls hören konnte. »Wage es ja nicht, die Vampire zu jagen, ohne mir vorher Bescheid zu geben.«
Es war fast elf Uhr, und Mrs. Brodsky würde sicher nicht zögern, mich um Punkt Mitternacht auszusperren, trotzdem musste ich Amir noch sehen. Daddys Neuigkeiten über seine Mission konnten nicht länger warten. Der Schnee, der sich bisher auf ein bisschen Schneegestöber begrenzt hatte, fiel jetzt wieder dichter, fast wie ein nasser Schleier aus Spitze. Ich beugte mich tief über den Lenker und radelte durch den schneidenden Wind, der die schweren, feuchten Flocken auf meine entblößte Haut trieb. Sehnsüchtig betrachtete ich die wenigen Droschken, die an mir vorbeirollten, aber ich glaubte kaum, dass eine von ihnen freiwillig mein Fahrrad mitnehmen würde, wenn Iris die Entscheidung nicht erzwang. Außerdem musste ich mein Geld zusammenhalten und sparen – ich konnte sicher sein, dass Mrs. Brodsky morgen die Miete gnadenlos einfordern würde. Nachdem ich zwanzig Minuten gegen den Wind angekämpft hatte, kam ich endlich schlitternd zum Stehen. In meinen Stiefeln, die mit Schneematsch getränkt waren, und dem nassen Mantel war ich beinahe zum Eisklotz gefroren. Ich ging zur Tür des Lagerhauses.
Fast eine halbe Minute lang starrte ich auf das schlichte massive Vorhängeschloss.
Na klar.
Das Lager war nach Feierabend verschlossen.
»Das ist mal wieder typisch für mich, dass ich eine halbe Stunde lang in einem Blizzard durch die Stadt radle und vergesse, dass ich gar keinen verdammten Schlüssel habe«, murmelte ich. Dann blickte ich mich um und hoffte vergeblich, so etwas wie eine Türklingel zu entdecken. Selbst wenn dieses Lagerhaus eine Klingel gehabt hätte, dann hätte Amir sie im obersten Stockwerk des Gebäudes wohl kaum hören können. Sollte ich einfach nach Hause fahren? Bei dem bloßen Gedanken daran, eine weitere halbe Stunde im Schnee zu verbringen, wollte ich mich auf dem Fußboden zusammenrollen und heulen – was kaum dem Bild der harten, toughen Sozialaktivistin entsprochen hätte. Aber egal. Es war schließlich ein langer Tag gewesen.
»Gib’s mir ruhig«, brummte ich und schwang ein klatschnasses Bein über den Fahrradsattel.
»Würde ich ja, wenn ich nicht fürchten müsste, dass dein Vater mich anschließend als Zielscheibe für sein Schießtraining benutzt.«
Ich wirbelte so schnell herum, dass mein Mantel sich am Lenker verfing, woraufhin ich rückwärts taumelte und im nächsten Moment ausgestreckt im Schnee lag.
Amirs lächelndes, ruhiges Gesicht erschien über mir.
»Was machst du hier?« Ich zerrte etwas zu fest an dem verhakten Ärmel und hörte, wie der Stoff riss.
»Ich genieße den Schnee.«
»Verfluchter, selbstgefälliger, feuerspeiender Dschinn«, brummte ich und schaffte es endlich, mich von meinem Fahrrad zu befreien. Ich stand auf. »Gehen wir hinein? Oder möchtest du lieber zusehen, wie ich mich zu Tode friere?«
Er blinzelte, als wäre es ihm bisher gar nicht in den Sinn gekommen, dass mir kalt sein
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