Moonshine - Stadt der Dunkelheit
das Bett erzitterte. »Ja, das ist genau der Punkt. Diese Droge löst in ihnen nicht nur einen Blutrausch aus, sie lässt sogar den jüngsten Vampir brennen, als wäre er gerade sechshundert Jahre alt geworden.«
Plötzlich fiel mir das Rettungsfahrzeug wieder ein, das Aileen und ich vor zwei Tagen gesehen hatten. Ich hatte mich gefragt, warum die Bahre mit einer sonnenlichtundurchlässigen Hülle bedeckt gewesen war. War der Vampir etwa wegen
Faust
versehentlich verbrannt? Entsetzt stellte ich mir das Blutbad vor, das bei Einbruch der Dämmerung heute Morgen geherrscht haben musste.
Tja, das war auch eine Art, aufzuwachen. Nahm ich da etwa den Geruch von verkohltem, ausgeblutetem Vampirfleisch wahr, der durch unser undichtes Fenster drang?
»Die Droge versetzt sie außerdem in einen Blutrausch? So wie der Rauschzustand, in den sie geraten, wenn sie erwachen?«
Iris schüttelte den Kopf. »So schlimm ist es nicht – Gott sei wenigstens für diesen kleinen Glücksfall Dank. Aber ich habe von mindestens sechs Gebissenen gehört, die im
St. Vincent Hospital
behandelt werden. Ich weiß nicht, wie viele andere betroffen sind und sich keinen Arzt leisten können.«
»Aber … ich habe diese Droge gesehen. Sie nennen das Zeug
Faust
. Es ist reproduziertes Schweineblut, gemischt mit einem Rauschmittel. Warum sollten sie in einen Blutrausch geraten, wenn sie Blut getrunken haben?«
Auch Iris wusste darauf keine Antwort, und einen Moment lang saßen wir schweigend da.
»Tja«, sagte Aileen unvermittelt, »es ist wie bei einer von diesen neumodischen Grapefruit-Diäten, oder?«
»Eine Qual?«
»Unnatürlich. Sie übersättigen sich mit diesem Zeug, das wie Blut schmeckt, das aber nicht, nun ja, wie echtes Blut den Hunger stillt. Es ist nur eine Nachahmung von Schweineblut, das sowieso nicht annähernd so gut ist wie Menschenblut. Also trinken sie immer weiter und brauchen trotzdem mehr. Genauso fühlt es sich an, wenn man drei Tage lang nur Grapefruits und Cracker zu sich nimmt und dann entnervt aufgibt, um all sein Geld für Makkaroni mit Käse aus dem Automaten auf den Kopf zu hauen.«
Ungläubig starrte ich Aileen an. »Willst du damit sagen, dass
Faust
in Vampiren das Bedürfnis weckt, einen Automaten zu knacken, um sich satt zu essen?«
»Wenn es in dem Automaten menschliches Blut gäbe …«
»Haarspalterei.«
Iris sah zwischen uns beiden hin und her und schüttelte den Kopf. »Was genau den Blutrausch auslöst, bereitet mir weniger Sorgen, als dass dieses Zeug überhaupt da draußen auf der Straße kursiert. Können Sie sich vorstellen, dass mir der Chef des Polizeireviers, bei dem ich mich heute Morgen beschweren wollte, gesagt hat, die Droge sei vollkommen legal? Ich glaube, dass unser feiner Herr Bürgermeister die Legalisierung dieser gefährlichen Substanz im Eilverfahren und ohne Debatte durch den Stadtrat gebracht hat! Sechs Menschen liegen im Krankenhaus, weil die Gefahr besteht, dass sie sich wandeln, und mindestens zwei Dutzend verbrannte Vampire siechen im Keller der
Tombs
dahin …«
»Nicht zu vergessen die geplatzten Vampire«, sagte Aileen. Sie schien aufgekratzt und voll seltsamer, fieberhafter Energie zu sein. Dabei hatte sie genauso wenig Schlaf bekommen wie ich.
Iris zuckte unwillkürlich zusammen. »Natürlich. Eine vollständige Ausblutung ist immer eine lästige Angelegenheit. Na ja, eigentlich bin ich zu Ihnen gekommen, weil ich ein paar Gefallen eingefordert habe und die
Abstinenzbewegung
heute Abend einem außerordentlichen Treffen zugestimmt hat, um die neue Situation zu besprechen. Ich wollte nur sichergehen, dass ich in dieser Sache auf Sie als Zeuginnen zählen kann.«
Darum
war sie um acht Uhr morgens zu mir gekommen? Das war typisch Iris. »Selbstverständlich sind wir da«, versprach ich. »Aber, Iris … Die Vampire haben vermutlich schon Geschmack an dem Zeug gefunden. Es ist möglicherweise zu spät, um die Lawine aufzuhalten.«
Iris zuckte die Schultern und lächelte schief. »Tja, wir wären keine richtigen Aktivistinnen ohne hoffnungslose Fälle, oder?« Sie erhob sich und griff nach ihrem Regenschirm mit dem Knauf aus Elfenbein. »Ich bin dann mal weg und sammele den Rest der Truppen ein. Wir treffen uns um sieben im Untergeschoss der
Second-Avenue-Presbyterian-
Kirche.«
Nachdem sie aus dem Zimmer gerauscht war, blickten Aileen und ich uns mit gespieltem Entsetzen an.
»Sieh dir deine Zukunft gut an, Zeph.«
»Iris ist nur ein wenig … energisch«,
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