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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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darum gebeten, einen kurzen Ausflug zum Mond zu unternehmen.
    »In diesen Kanälen könnte Rinaldo Nicholas gewandelt haben.«
    »Ich glaube, du hast den Ausdruck ›Schlupfwinkel‹ möglicherweise ein bisschen zu wörtlich genommen,
habibti
. Er ist ein Vampir, keine Molratte.«
    »Ich habe ja nicht behauptet, dass er da unten
wohnt
. Aber du musst zugeben, dass die Kanalisation ein sicherer Ort ist, um einen wahnsinnigen Blutsauger im Kindesalter zu verstecken.«
    Erst nachdem ich es ausgesprochen hatte, fiel mir auf, dass Judah unserer Unterhaltung noch immer lauschte.
    Amir blickte ihn an. »Ich bringe dich bald wieder zurück, das verspreche ich«, sagte er mit einem verblüffenden Anflug von Zärtlichkeit.
    Diese Verblüffung verstärkte sich noch, als Amir mir ein nachsichtiges Lächeln zuwarf und sich dann in eine Dunstwolke verwandelte. Ich schrie auf und Judah packte meine Hand. Die Wolke, die einmal Amir gewesen war, schwebte einen Moment lang in der Luft, ehe sie über den Rand glitt. Einen Augenblick später hörte ich etwas Festes auf dem Beton hallen.
    Ich legte die Hände um den Mund. »Bist du … äh …«
    »Dreckig? Bis zu den Knien im Abwasser? Dabei, meine Zeit zu vergeuden?«
    »Körperlich?«
    Ich zitterte ein wenig, als ich sein Lachen hörte.
    »Wie entzückend. Die Vampirrechtlerin, übermannt von ein bisschen Rauch. Hier unten ist übrigens nichts, sofern du nicht an Rattenkadavern interessiert bist. Was ich ganz gewiss nicht bin.«
    »Führt der Kanal irgendwohin?«
    »Nicht für jemanden, der sich nicht in Rauch verwandeln kann. Es gab mal einen Tunnel, aber es sieht so aus, als hätte man ihn zum Einsturz gebracht. Bitte, sag mir … Aha!« Er hielt kurz inne. »Tja, schau mal einer an.«
    »Was? Was ist passiert?«
    »Ich habe etwas gefunden.«
    Es gelang mir, so zu tun, als wäre ich ganz ruhig, während der Rauch zurück an die Oberfläche kam und sich wieder zu einem vollständig angezogenen Amir zusammensetzte. Einem vollständig angezogenen
schmutzigen
Amir. Angewidert hielt er einen nassen braunen Lumpen zwischen zwei Fingern.
    »Du hast Matsch aus dem Abwasserkanal mitgebracht?«
    »Oh, wie schnell sie mäkelig wird. Es ist nicht so einfach, wie es aussieht, meine Liebe.«
    »Der Trick hätte dir bei dem Vampir, den ich zum Platzen gebracht habe, eine Menge Ärger ersparen können.«
    »
Der Trick
ist meiner Meinung nach beinahe unmöglich, wenn man sich in äußerster Not befindet. Bedauerlicherweise – was meinen Stolz angeht.«
    Aus irgendeinem Grund musste ich lächeln, und wir sahen einander für einen Moment an, aus dem sich etwas ganz anderes hätte entwickeln können, wenn nicht Judah still neben uns gestanden hätte.
    »Was ist das überhaupt für ein Ding?«
    »Du erkennst es nicht? Stell es dir mit einem etwas weniger großzügigen Überzug aus Dreck vor.«
    Ich trat einen Schritt näher und schnappte nach Luft. Er hielt einen blauen gestrickten Fäustling in die Höhe – das passende Gegenstück zu dem Handschuh, den Judah getragen hatte, als ich ihn gefunden hatte.
    »Sie haben ihn hier gewandelt«, sagte ich. »Im Regenkanal.«
    Amir steckte den Fäustling in seine Tasche. »Sieht ganz so aus.«
    Ein Nachtwächter näherte sich uns, also eilten wir zurück auf die Straße. »Ihr zwei solltet jetzt besser nach Hause gehen«, sagte ich. »Heute Nacht können wir sowieso nichts mehr tun.«
    Amir stimmte mir zu, doch Judah lief vor uns her auf die Whitehall Street zu. Er ging um die Ecke und hielt mitten auf der verlassenen Straße an. Ernst starrte er auf die schmiedeeisernen elektrischen Laternen, die den Eingang zur Whitehall-Untergrundbahnstation säumten.
    »Ja«, sagte er mit ruhiger, fester Stimme, »die kenne ich.«
    Die Beleuchtung an der U-Bahnstation? Amir und ich wechselten einen Blick. »Meinst … Meinst du, dass du hier in der Nähe gewohnt hast?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte er.
    Mir fiel auf, dass er seltsam höflich klang, wie ein gebildetes Kind. Nur welches gebildete Kind fuhr so oft mit der Untergrundbahn, dass es die Beleuchtung wiedererkannte, während es sich an nichts sonst erinnern konnte? Wir gingen näher an den Eingang heran. An einer Seite erstreckte sich ein kleiner Stadtpark. Die Blumenbeete und Büsche waren bis auf den gefrorenen Schnee kahl, doch irgendetwas ließ mich innehalten und näher treten. Ich war zwar keine Botanikerin, aber selbst ich konnte die dornigen, wirren Zweige eines Rosenbusches

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