Moonsurfer
der indianischen Flotte gelöst und die Blackbird in weitem Bogen umrundet. Auf der bis zum Schanzkleid im Wasser liegenden Seeseite des Schiffes sind nur eine Handvoll kleinerer Geschütze - Drehbassen - einsatzbereit, und so ist das Schiff von dort draußen wesentlich leichter zu erobern.
Steven schiebt den kleinen Segler durch die Brandung,bis er den Boden unter den Füßen verliert. Dann zieht er sich auf sein Board und springt von dort aus hinüber ins Kanu und zur Pinne am Heck des Einbaums. Im Bug sitzt bereits Scouba, der die Nase in den Wind hält.
Wieder erbebt die Erde unter dem Gewitter der Kanonenschüsse. Dazwischen das dumpfe Dröhnen der Muschelhörner, dann wieder markerschütterndes Kriegsgeschrei.
Keiner der Gegner achtet auf den kleinen Segler, der etwas weiter nördlich in See sticht.
Die vordersten Kanus sind der schlecht geschützten Seeseite des lahmen Piratenschiffes gefährlich nahe gekommen. Pfeilhagel gehen auf die Blackbird nieder, Körper kippen ins Wasser, Skulls Befehle gellen über das Deck. Schüsse peitschen, Pulversäulen steigen auf und verlieren sich im Wind.
Steven setzt sein Segel, richtet es aus und das kleine Auslegerboot nimmt Fahrt auf. Das Gefährt liegt nicht schlecht im Wasser, obwohl die See hier noch sehr flach und kabbelig ist. Er schätzt nicht mehr als sieben bis acht Fuß Tiefgang. Sandbänke lassen den Grund hier draußen immer wieder ansteigen, zudem ist Ebbe.
Die Insel hinter ihm wird kleiner. Der Wind bläst noch immer stetig aus Südwesten und Steven will so schnell wie möglich in den toten Winkel unter dem Bug derBlackbird gelangen. Nur dort kann er vielleicht unentdeckt Snake an Board nehmen, danach das Ruder herumreißen, wenden und wieder aus der Gefahrenzone verschwinden. Dies wird Snakes einzige Chance sein. Wird Steven jedoch entdeckt oder sogar angegriffen, dann muss er ihn seinem Schicksal überlassen und sich auf das offene Meer hinaus retten.
Ich muss völlig verrückt sein, denkt er.
Inzwischen steht die Sonne hinter der Insel so hoch über den Baumwipfeln, dass sie erste Strahlen flach in das Meer hineinschickt. Jetzt ist der helle Meeresgrund gut durch das glitzernde Türkis des Wassers zu erkennen.
Auf einmal springt Scouba mit einem gewaltigen Satz von Bord.
»Scouba! Was zum …?!«, flucht Steven und dreht bei. Das Segel knattert laut im Wind, während Scouba querab paddelt. Stevens Plan ist gefährdet, denn mit dem außerplanmäßigen Manöver brettert er nicht mehr wie ein Geist aus dem Nichts auf den Bug der Blackbird zu, sondern dümpelt wie auf dem Präsentierteller in der See.
Da bemerkt Steven, dass der Hund auf einen großen dunklen Schatten im Wasser zuhält, der langsam und zielstrebig in Richtung Strand wandert. Er späht in die Wellen und rätselt, ob das Ding eine Riesenqualle ist, vielleicht eine Art, die es in dreihundert Jahren nicht mehr gibt, oder ein monströser Tintenfisch …
Inzwischen ist Scouba dem Wesen gefährlich nahe gekommen.
»Scouba, komm zurück, es wird dich …!«
Doch Scouba ist ein reinrassiger portugiesischerTauchhund, der sich so schnell und leicht im Wasser bewegt, als wäre er dort geboren worden. Kaum hat er das seltsame Ding in den Wellen erreicht, versucht er, auf dessen glatten, kahlen Kopf zu klettern, der jetzt hin und wieder die Wasseroberfläche durchbricht. Aber der Hund rutscht und taucht ab. Gleich darauf ist er nicht mehr auszumachen, verschwunden, eins geworden mit der vermeintlichen Riesenqualle, die plötzlich still im Wasser steht.
Sie hat Scouba gefressen!
Steven manövriert das Segelboot näher heran, bis er dicht genug dran ist. Er richtet sich auf und späht in das glitzernde Meer.
Jetzt kann Steven erkennen, was dort unterwegs ist und Scouba gefressen hat, und muss lauthals lachen: Vor ihm schwebt der umgestülpte Suppentopf vom Deck der Blackbird im Wasser! Genauer gesagt: Er hat Beine bekommen und wandert über den Meeresboden.
Der Topf schwankt wie ein riesiger Hut über dem Oberkörper eines Tauchers, der einen blinden Unterwasserspaziergang zur Insel unternimmt.
Steven lässt seinen kleinen Segler dichter heranschwallen und klopft mit dem Säbel an. Der Kessel kippt mit einem dicken Blubb! von der Luftblase, die sich darunter befand, und Snake und Scouba treiben in den Wellen.
Snake grinst: »Guten Morgen, Admiral Steven Waves!«
»Glückwunsch«, antwortet Steven, nicht weniger breit grinsend. »Du hast die Taucherglocke erfunden!«
Steven und
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